Sonntag, 5. Juli 2009

http://tamagothi.wordpress.com/2009/04/18/elektrisches-auge/


18. April 2009...02:29

Elektrisches Auge

Zu den Kommentaren

Aus aktuellem Anlass und mit nasskaltem Gruß an ZensUrsula von der Leyen heute wieder einmal ein flugs übersetzter Songtext aus meiner Jugend, in der es selbst in der populäreren Musik noch etwas gab, was im gegenwärtigen Auswurf der Contentindustrie gar nicht mehr vernehmbar ist: Mit wirklichem Mitteilungswillen verbundene und zitierfähige Texte.

Elektrisches Auge

Hier oben im Raum
Schaue ich auf euch hinab.
Meine Laser verfolgen
Alles, was ihr tut.
Ihr glaubt, dass ihr ein Privatleben habt…
Glaubt doch nicht an so etwas!
Es gibt wahrlich kein Entkommen,
Ich bin ununterbrochen wachsam.
Ich bin aus Metall gemacht,
Meine Schaltungen glimmen.
Ich bin unvergänglich.
Ich halte das Land sauber.
Ich bin der ausgewählte elektrische Spion;
Augengeschütztes, elektrisches Auge.

Immer im Blickpunkt;
Ihr könnt mein Glotzen nicht fühlen.
Ich zoome in euch hinein;
Ihr wisst nicht, dass ich existiere.
Es macht mich stolz, eure geheimen Bewegungen zu untersuchen.
Meine tränenlose Netzhaut macht Bilder, die als Beweise gelten.
Elektrisches Auge, oben am Himmel,
Fühlt, wie ich glotze, wie ich immer da bin;
Es gibt nichts, was ihr dagegen tun könnt.
Entwickelt und offen gelegt,
Ich weide auf jedem eurer Gedanken;
Und das lässt meine Macht groß werden:
Geschütztes, überwachendes, elektrisches Auge.

Frei nach “Electric Eye” von Judas Priest
(1982 auf “Screaming For Vengeance” veröffentlicht)

Die Übelsetzung und alle — trotz der recht scharfen und deutlichen Aussprache von Rob Halford eingeschlichenen — Verhörer sind von mir. Ich habe mich beim Übertragen entschieden, das in seinem Numerus unbestimmte englische “you” in der Pluralform zu übersetzen, im Englischen ist es auch als direkte Ansprache eines einzelnen Gegenübers zu verstehen. (Jüngere Sprecher des amerikanischen Englisch disambiguisieren dies zuweilen durch die analytische Konstruktion “you all” oder kontrahiert “y’all” für die zweite Person Plural, und diese umgangssprachliche Konstruktion hat gute Chancen, es in Zukunft einmal in die offiziellen Grammatiken zu schaffen.) Diese kleine Unbestimmtheit gibt dem englischen Originaltext eine zusätzliche gefühlte Schärfe und Härte, die sich nicht durch Übertragung in ungekünstelte Alltagssprache in das Deutsche hinüberretten lässt. Auch ist es unmöglich, die Homophonie von “I” (ich) und “eye” (Auge) und die daraus gezielt gebauten Unbestimmtheiten zu übertragen — ich bin mir selbst nicht darüber sicher, dass ich jedes Mal die beabsichtigte Bedeutung getroffen habe. Überall, wo “Auge” steht, kann auch “ich” gemeint sein, und umgekehrt — und da das “elektrische Auge” als Icherzähler auftritt, wird diese Überschneidung prägend für die Wirkung des Textes. Obwohl Judas Priest — im Gegensatz zu einigen anderen Vertretern des klassischen heavy metal — im Allgemeinen keine auffallend gestelzte Sprache pflegte, ist die Übersetzung einiger Songtexte doch schon sehr schwierig, und mit dem hier entstandenen Ergebnis bin ich alles andere als zufrieden.

Nach diesen Anmerkungen zu den Schwächen meiner Übelsetzung nun noch eine Kleinigkeit zum Hintergrund, warum ich diesen Text in das Bewusstsein rufen möchte:

Dass es mit den Freiheitsrechten in der BR Deutschland unter den Ideen einer Demagogin wie ZensUrsula von der Leyen und ihren allzu willfährigen Schergen unter den großen Zugangsprovidern nicht mehr so weit her ist, werden einige Leute wohl erst dann bemerken, wenn sie einen Proxyserver oder Nameserver aus China in ihre Netzwerkkonfiguration eintragen, um wieder an einem ungefilterten Austausch der Menschen Teil haben zu können. Und viele andere Menschen werden es nicht einmal dann bemerken, weil sie sich völlig mit der Tagesschau, den Talkshows, der Bildzeitung und DSDS zufrieden geben. Die neue Zeit der dezentralen Medien wird an der entstehenden great firewall of Germany erwürgt, bevor sie auch nur eine gesellschaftliche Wirkung entfalten konnte.


http://tamagothi.wordpress.com/2009/06/30/elias/

Elias



Hör meine Stimme,
Sie erzählt Geschichten;
Erzählt einfach nur die Wahrheit
Über manche Menschen
Für die nichts gerechtfertigt ist,
Die nur für dich beten.
Ein ausgehungerter Mann muss das sein
Der gern vernehmen möchte
Was diese verkrüppelten Gemüter erzählen.
Grüße von mir –
Sie gehen mit dem Wind.

Ich habe nicht die Absicht
…zu vergessen
…nachzutrauern
…mich an diese ganze Zeit zu erinnern;
…zu vergessen
…nachzutrauen
…mich an alle diese Dinge zu erinnern;
…zu vergessen
…nachzutrauern
…mich an all diese Jahre zu erinnern
Bei euch, bei euch.

Hör meine Stimme,
Sie erzählt Geschichten;
Erzählt einfach nur die Wahrheit
Über den ahnungslosen Elias,
Das Lügen dort bei dir.
Ahnungsloser Elias,
Die blutroten Erlöser
Werden niemals nach Hause kommen.
Grüße von mir –
Sie gehen mit dem Wind.

Ich habe nicht die Absicht
…zu vergessen
…nachzutrauern
…mich an diese ganze Zeit zu erinnern;
…zu vergessen
…nachzutrauen
…mich an alle diese Dinge zu erinnern;
…zu vergessen
…nachzutrauern
…mich an all diese Jahre zu erinnern
Bei euch, bei euch.

Wolfsheim, Elias | YouTube-Direktlink
Die Übelsetzung ist von mir und hat gewisse Schwächen in bewusst ambig gehaltenen Textpassagen , sollte aber völlig frei von Verhörern sein.


Samstag, 4. Juli 2009

Felsenwälzer

http://www.duckhome.de/tb/archives/6837-Felsenwaelzer.html


Samstag, 4. Juli 2009

Felsenwälzer

Eigentlich wollte ich mich an dieser Stelle nochmal richtig schön aufregen. Über die Arroganz der Europäer im allgemeinen. Über ihre Anmaßung, den Wert des Protestes im Iran beurteilen zu können im besonderen. Ich wollte auch nochmal sehr selbstkritisch hinterfragen, was wir Besser- bzw. Alleswisser während der letzten 20 Jahre getrieben haben. Waren wir im Widerstand? Haben wir den Neoliberalismus verhindert? Größtenteils hatten wir uns alle ganz gut arrangiert, wollte ich sagen. Und dass die crème Proseccosaufend beim Italiener rumlungerte. Soll bloß keiner von uns so tun, als könnten wir Phoenix-gleich aus dem Neoliberalismus auferstehen – und schwupps – schon befänden wir uns im besseren Leben. Ist es nicht vielmehr so, dass wir gar keine Vision vom besseren Leben haben?

Den Widerständischen im Iran oder anderswo, - unseren demonstrierenden Jugendlichen hier vor Ort oder anderswo, - den vielen Streikenden, - denjenigen, die keine Kraft mehr zum Protest haben, den Resiginierten – was haben wir ihnen zu sagen? Wie sieht er aus, unser Zukunftsentwurf? Ja, ja. Der Weg ist das Ziel. Auch so ein Spruch, der sich eine Zeitlang sehr gut machte. Und was ist, wenn wir bei der ersten Kreuzung wie die aufgescheuchten Hühner hierhin und dorthin laufen?

Die Wahl im Iran und die hiesigen Reaktionen auf die anschließenden Proteste glichen einem kopflosen Gerenne. Aufs Treppchen kam, wer am lautesten dabei schrie! Und unsere hartnäckigsten Patriarchatsverherrlicher hatten auch die Gunst der Stunde erkannt, um im allgemeinen Kampfgetümmel schnell ihre Losung zu platzieren. Stimmts, Männer? Entschuldigung, aber ihr habt sie doch nicht mehr alle! (Kurzes statement von mir: die Zukunft wird überall auf der Welt von Männern und Frauen gemeinsam besprochen werden, die willig und fähig zu gleicher Augenhöhe sind.) Zum Glück hat sich inzwischen ein wenig Distanz und Realitätssinn eingestellt und man bekommt die eine oder andere kühle Analyse zur Situation im Iran präsentiert. Bleibt das Unbehagen über unsere eigene geistige Verfaßtheit.

Mitten während dieser Überlegungen fiel mir eine Stelle im Goldenen Notizbuch von Doris Lessing ein. Sie handelt von der Dummheit. Und weil ich dieses Bild, das sie entwirft, so aussagekräftig finde, gebe ich es hier zum besten. Ich erspare mir mein Gezeter und denke stattdessen noch ein wenig über die sonderbare Arbeit der Felsenwälzer nach. Vielleicht auch über die großen Männer oben auf der Bergspitze, (dem Gipfel der Dummheit...).

Weder Kannibale noch Opfer, - sie werde Felsenwälzer, sagt die Frau zum Mann. Was das sei, fragt er. Und sie antwortet:

„Es gibt einen großen schwarzen Berg. Das ist die menschliche Dummheit. Es gibt eine Gruppe von Leuten, die einen Felsbrocken den Berg hinauf wälzen. Wenn sie ein paar Meter hochgekommen sind, gibt es einen Krieg oder die falsche Revolution, und der Felsbrocken rollt hinunter – nicht ganz hinunter, er bleibt immer ein paar Zentimenter oberhalb der Stelle liegen, wo er zuletzt lag. Also drücken diese Leute ihre Schultern gegen den Felsbrocken und beginnen ihn wieder hinaufzuwälzen. Währenddessen stehen ein paar große Männer auf der Bergspitze. Manchmal blicken sie hinunter und nicken und sagen: Gut, die Felsenwälzer sind noch an der Arbeit. Aber inzwischen grübeln wir über den Weltraum nach, oder wie es sein wird, wenn die Welt voll von Leuten ist, die nicht hassen, sich nicht fürchten und nicht morden.“


PS:
Kaum schließe ich diesen Eintrag, gibt es lustige Thesen von Doris Lessings Neffen. Gregor Gysi. Spiegel-online (tschuldigung, schon wieder) vermeldet: "Er wünsche sich manchmal, ´nicht jeder bei uns fühlte sich berufen, Weltpolitik zu machen`" und meint mit jeder wohl die Ideologen und Sektierer aus dem Westen. Richtig, Gregor Gysi, nicht jeder ist berufen, bei den "großen Männern auf der Bergspitze" zu stehen. Und das mit dem schlechten Rotwein ist auch peinlich. Aber woher weiß er, dass es nur Petting gab? (Wer hat denn hier gepetzt, Mädels?) Und noch eine Kleinigkeit: wußte gar nicht, dass im Osten immer guter Rotwein getrunken wurde. Na sowas.


Geschrieben von
Luise
in Deutschland um 17:33

Auf der Tretmine

http://ad-sinistram.blogspot.com/2009/07/auf-der-tretmine.html


Samstag, 4. Juli 2009

Es ist, als würde die besinnliche Stille eines Waldspazierganges, diese trügerische Sturmesruhe zwischen Bäumen und Wiesen, durch ein leises, aber doch in der Stille fein vernehmbares Knacken durchrissen. Man bleibt stehen, blickt um sich, bekommt zögerlich einen vagen Schimmer, woher dieses fremde Geräusch vernommen wurde, lugt hinab auf den Schuh des Standbeines, woher es unter der Schuhsohle knackend hervorkroch. Es ist, als würde man dessen gewahr, einer knackenden Tretmine auf den Kopf getreten zu sein. Man erahnt zwar nur, ob es sich um jenes Kriegsutensil aus den Werkstätten menschlicher Zivilisation handelt, aber zwischen Vermutung und Hoffen und Bangen schiebt sich die Gewissheit, dass ein nächster Schritt, und sei es auch nur ein winziger Schritt vor, zurück, nach rechts oder links, ein plötzliches Ende zur Folge hätte. Vernimmt man dann noch ein Ticken, ein stoisches, gleichmäßiges, in die Stille des Waldes hineintretendes Ticktack, welches gleich einem Autisten keine Verbindung den Dingen um sich kennt, so beschleicht einen der Gedanke, dass selbst das Ausharren auf der Mine, das sture Verweilen der Sohle an Ort und Stelle, irgendwann dank eines Zeitzünders zu detonierendem Ende führen werde. Man weiß es nur ungenau, man erahnt nur, man will von der Aussichtslosigkeit des Stehenbleibens, dem langsamen Ende herunterzählender Zeit, nichts wissen. Ohne dem Vergessen, ohne der Gabe der Naivität, wäre eine Aufrechterhaltung des Lebens undenkbar – wer vergisst, wer naiv verdrängt, dem wird Leben gespendet, wenn auch nur als Zeitkontrakt.

So steht man stundenlang, wie ein Gelähmter an der Stelle des heruntergedrückten Zündstiftes, reflektiert über seine Lage, ersinnt Fluchtpläne, die einem nicht den Rumpf von den Beinen und Armen abtrennt, eine Weile später Fluchtpläne, die einem wenigstens nur ein Bein kosten, nochmals später Fluchtpläne, bei denen man wenigstens eine Extremität zu behalten vermag. Obzwar man frei ist, man hingehen kann, wohin es beliebt, diese Freiheit, das wird einem schnell begreiflich, ist keine gehende, keine beliebige, sie ist eine robbende, kriechende, eine verblutende, die Freiheit fehlender Nachhaltigkeit, die Freiheit des Moments - vielleicht die einzige absolute Freiheit des Menschen. Ängstlich nistet man sich in der Gefangenschaft ein, erst ernüchtert, verängstigt, dann die Kette zur langen Leine verklärend, lockert die Kette hie und da, versucht aus der Anstrengung des Stehens in eine Entspannung des Sitzens zu geraten, immer die Schuhsohle satt auf den Stift pressend, immer mit Bedacht, keine Vibrationen entstehen zu lassen, sicher sei schließlich sicher. Tage und Nächte vergehen, man schläft sitzend zusammengekauert, redet sich ein, man hätte nie besser geschlafen, liegendes Schlafen sei zivilisatorischer Luxus, fern der Natur des Menschen. Man speist passierende Käfer, saugt deren Mark aus den winzigen Gliedern, befriedigt so seinen Durst, schlürft den Morgentau von den Grashalmen, kaut langsam und mit viel Genuss Gräser und kratzt den Vogelschiss, der als unregelmäßige Lieferung hinabgeschleudert wird, aus dem Haar, lutscht und schlürft daran und erfreut sich der wertvollen Nährstoffe, erfreut sich des würmischen Gustos, das trotz Verdauungstätigkeit von Stieglitz, Blaukehlchen, Nachtigall geschmacklich erhalten blieb. So, und nur so, ernähre sich der wahre Mensch, der Mensch im Einklang mit der Natur; so, und nur so, dürfe der Mensch sich sättigen; so, und nur so, ist aus der Ware Mensch der wahre Mensch zu verwirklichen. Aus der Kette, aus der Bürde, aus dem starren, bereits gefühlskalten Fuß, ist die absolute Freiheit entwachsen. So zu speisen, seinen Darm düngend in den sättigenden Wiiesen rundherum zu entleeren, seinen Harn gleichfalls abzulassen, im Sitzen zu leben und zu schlafen: all das ist zur Freiheit geworden, ist keine Notwendigkeit aus der Situation heraus, sondern Ausdruck von tief verwurzelter Überzeugung. Nicht der Zündstift regelt dieses Leben, sondern das Leben nistet sich am Zündstift. Und das Ticken, dieser stete Begleiter, ist keine drohende Akustik mehr, es ist der Takt des Lebens, der florierende Puls der neuen Freiheit. Es bejaht das Dasein am Zündstift, die lebensverneinende Bedeutung ist entschwunden.

Es ist, als säße man zu Füßen einer Mine, um sich blickend, zufrieden in die Welt und in die Zukunft glotzend, sich labend an den Köstlichkeiten der kreuchenden und fleuchenden Natur. Währenddessen die tickende Vergänglichkeit, die zur lebensbejahenden Ader geworden ist, leugnend oder beschönigend, das eigene, an den Zuständen ausgerichtete Leben als besseres, vorallem aber freiwillig gelebtes Leben preisend. Wer hat schon täglich Bäume und Wiesendüfte auf seinem Tagesprogramm? Wer verköstigt sich schon täglich mit den Annehmlichkeiten der Natur, ißt wie ein Edelmann? Es ist kein Arrangement mehr, es ist tiefe, unverbrüchlich verankerte Überzeugung. So tief, so verankert, dass ein hilfsbereiter Wanderer, der den Freiheitsüberzeugten aus seiner Lage befreien möchte, zum Angreifer wird, zum Mißgönner dieser harrenden Freiheit. So sehr, dass ein solcher Störenfried in seinem Eifer unterbunden werden muß, notfalls mit Gewalt, notfalls durch Totschlag. Es ist, als würde man einer hilfsbereiten Hand, den Befreier aus der zur Freiheit gewordenen Not, den Schädel zertrümmern. Als würde man zum Mörder einer Freiheit, die nur innerhalb der Windungen der Kettengliedern heimisch war. Und doch mordete man nicht, man befreite sich lediglich von der drohenden Unfreiheit, man verteidigte sich, handelte aus Notwehr. Wer würde in der Unfreiheit das Ticktack ersetzen, würde den Takt des Lebens in die eigene kleine Welt hinausticken? Wo bekäme man den Genuss frischer Maden und Käfer aufgetragen? Könnte man den ausgeschiedenen Darminhalt weiterhin als Dünger nachwachsender Graseskost verwenden? Das Leben am Fuße des Fußes auf dem Zündstift, hat seine Versprechungen erfüllt, Freiheit garantiert und verwirklicht. Es ist, als hätte man das Lebensglück gefunden, als hätte man aus dem Pech seines Lebens die Essenz der Glückseligkeit gepresst.