Das Paradox des Friedens
Geschrieben von Hergen am Sonntag, 04. Januar 2009 |
Israel gedeiht durch Krieg. Für den Zionismus ist Frieden eine Bedrohung. Frieden verlangt Kompromisse. Zweimal in diesem Jahr signalisierten die Führer von Hamas ihre Bereitschaft, einen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 zu akzeptieren. Khaled Meshaal, der Führer von Hamas, informierte den früheren Präsidenten Jimmy Carter von dieser Entscheidung im April 2008. Im Mai 2008 wurde bekannt, daß Yves Aubin de la Messuziere, ein französischer Diplomat im Ruhestand Gespräche mit Ismael Haniyeh und Mahmoud Zahar, zwei prominenten Führern der Hamas geführt hatte, in denen diese die Bereitschaft ihrer Organisation bestätigt hatten, einen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 zu akzeptieren, und damit Israels inoffiziell anzuerkennen. Aber ein solches Waffenstillstandsangebot widerspricht den zionistischen Idealen. Es wurde nötig, jene zu bestrafen, die den Frieden zu erreichen suchten - und Krieg zu führen.
von Soraya Sehpapour-Ulrich*
„Die Besiedlung des Landes Israel ist das Wesen des Zionismus. Ohne Siedlungen wird der Zionismus nicht verwirklicht. So einfach ist das“ - Yitzhak Shamir (Maariv, 21.2.1997)Leider war dies nicht das erste Mal. Unsere Medien haben es allerdings erfolgreich verstanden, den Sand der Ignoranz in unsere Augen zu streuen, uns einseitig und parteiisch zu machen und durch Desinformation abzustumpfen. Um der unschuldigen Opfer auf allen Seiten willen, muß die Wahrheit ans Licht gebracht werden. Wir müssen die Geschichte erneut betrachten.
Hamas, eine islamische Widerstandsbewegung, war mit dem ersten Aufstand der Palästinenser im Dezember 1987 entstanden. Mit dem Ende der Intifada und dem Beginn des Friedensprozesses von Oslo wurde die Komponente des Widerstands, die so wesentlich für das politische Denken und Handeln von Hamas war, untergraben. In den zwei bis drei Jahren vor der zweiten Intifada im Jahr 2000 rief Hamas nicht mehr hauptsächlich oder konsequent zu politischen oder militärischen Aktionen gegen die Besatzung auf, sondern widmete ihre Aufmerksamkeit sozialen Fragen und der Propagierung islamischer Werte und der Ausübung der Religion. Der Beginn der zweiten Intifada der Palästinenser am 28. September 2000 und der 11. September 2001 verwandelten die Realitäten in der West Bank und in Gaza dramatisch. Bis dahin bestehende politische Übereinkünfte waren zunichte gemacht, die wirtschaftlichen Bedingungen verschlechterten sich und soziale Strukturen wurden geschwächt. In einem Umfeld von Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit erstarkter Hamas erneut.
Zur selben Zeit eskalierten eskalierte unter der Führung Ariel Sharons die Landnahme durch Zwangsenteignung und wirtschaftliches Scheitern. In seiner Agenda war kein Platz für einen palästinensischen Staat. Die ungleiche Behandlung des Konflikts durch die Vereinigten Staaten stärkte Sharons Pläne. Im Kontext einer geschwächten palästinensischen Führung und der wachsenden Bedeutung von Hamas begannen die Vereinigten Staaten im September 2002 den Dialog mit einem hochrangigen Führer der Hamas. Die Reaktionen Israels zeigten deutlich, daß man keinen Dialog zwischen Palästinensern und den USA wünschte, da man fürchtete, es könne eine politische Lösung im palästinensisch-israelischen Konflikt geben.
Israel provoziert Selbstmordattentate
Die Kontakte zwischen den Vereinigten Staaten und der Hamas, über die Israel vollständig im Bilde war, endeten, als die israelische Armee am 9. September einen politisch moderaten Repräsentanten der Hamas in Ramallah vehafteten, was die Hamas als absichtlichen Versuch der Regierung Sharon wertete, die Gespräche mit den Amerikanern zu torpedieren. Wenige Tage später startete Israel einen Angriff in Rafah, bei dem neun Palästinenser getötet wurden, darunter Zivilisten.
Wie vorherzusehen war, unternahm ein Selbstmordattentäter am 19. September einen Anschlag auf einen Bus in Tel Aviv, bei dem sechs Menschen getötet wurden. Weitere Vereinbarungen zwischen der Hamas und der Selbstverwaltung der Palästinenser (PA) über Waffenruhen wurden durch israelische Angriffe untergraben. Alex Fishman, Kommentator für Fragen der Sicherheit der rechtsorientierten Zeitung Yediot Achronot, Israels auflagenstärkstem Boulevardblatt, teilte in der Ausgabe vom 25. November Einzelheiten darüber mit, wie die Ermordung Mahmut Abu Hanuds im selben Monat, einer Schlüsselfigur von Hamas, die Zusage von Hamas, keine Selbstmordanschlage in Israel zu verüben, zunichte gemacht hatte. „Wer immer grünes Licht für diese Aktion gab, wußte genau, daß er damit der stillschweigenden Übereinkunft zwischen Hamas und der palästinensischen Selbstverwaltung einen tödlichen Schlag versetzte, nach der Hamas in der näheren Zukunft keine weiteren Selbstmordattentate innerhalb der grünen Linie (Israels Grenzen vor 1967) von der Art des Anschlags in der Tel Aviver Diskothek „Dolphinarium“ verüben würde (Perry, 2004, 7)[1]
Tatsächlich brachten das Vorgehen Israels Hamas dazu, den Israelis in die Hände zu spielen. Indem er die Hamas zu Selbstmordattentaten anstachelte, nachdem die PLO und Jassir Arafat bereits weitgehend aus dem Weg geräumt waren, stellte Sharon sicher, daß Verhandlungen über einen palästinensischen Staat nicht stattfinden würden. Der Preis hierfür spielte keine Rolle.
Erneut werden die Handlungen und Beweggründe der israelischen Regierung nicht in Betracht gezogen. Die ununterbrochene Belagerung Gazas wird von der „zivilisierten Welt“, angeführt von der amerikanischen Regierung, bejubelt. In einer Weise, die an die Spektakel in Amphitheatern zu Zeiten der Römer erinnert, sieht der Westen zu, wie unschuldige Palästinenser von amerikanischen Waffen dahingeschlachtet werden, die durch Steuergelder finanziert wurden. Möglich gemacht wird dies durch fehlende Führung und Einigkeit auf Seiten der Araber ebenso wie durch fehlende menschliche Entrüstung.Werkzeug der USA und Israels
Die Gier nach Blut hört nicht auf. Der UN Sicherheitsrat rief zu „Zurückhaltung“ auf und forderte ein Ende der Gewalt in Gaza. Es ist dieselbe UN-Körperschaft, die den Iran als eine „Bedrohung des Friedens“ bestraft, weil das Land sein unveräußerliches Recht innerhalb des Rahmens der gesetzlichen Vorschriften verfolgt und auf Zurückhaltung pocht, wenn es um Völkermord geht. Dies sollte angesichts des Umstandes, daß Newt Gingrich vom American Enterprise Institute erklärte, die Vereinten Nationen sollten zu einem Werkzeug der USA und Israels gemacht werden, kaum überraschen:
„Die Vereinigten Staaten und Israel eint ein spezielles Band. Es wurzelt in den demokratischen Traditionen unserer Regierungen, unseren pluralistischen Gesellschaften und unserem gemeinsamen Respekt vor religiösen Überzeugungen - nicht nur den Überzeugungen eines Glaubens, sondern aller Glaubensrichtungen - und vor allen Menschen mit guten Absichten. Diese Werte sind Kern unserer nationalen Identitäten und vereinen uns in der gemeinsamen Vision dessen, was wir von den Vereinten Nationen erwarten. Die bisherige und gegenwärtige Behandlung Israels durch die UN bleibt auf dramatische Weise hinter diesen Idealvorstellungen zurück. Wenn die UN endlich die Behandlung zweiter Klasse gegenüber Israel beendet, wird dies ein wichtiges Zeichen dafür sein, daß die Reform der UN in die richtige Richtung geht.“
„Die Herausforderung an jene von uns, die an die Grundsätze der UN Charta glauben, aber ebenso der Überzeugung sind, daß die UN in ihrer heutigen Funktionsweise diese Grundsätze verraten hat, liegt darin, Änderungen der Praxis bei den Abstimmungen der UN Vollversammlung zu bewirken. Ich glaube, die Vereinigten Staaten können andere Länder in dem Bemühen anführen, die Vereinten Nationen zu reformieren. Aber dies wird harte Arbeit fordern und lange dauern.“
„Als erstes wird entschieden werden müssen, daß die UN uns so wichtig sind, daß wir unsere multilaterale Diplomatie mit unserer bilateralen Diplomatie verbinden.“
„Ein erster wesentlicher Test für einen konzertierten Versuch der Vereinigten Staaten, Stimmen bei den Vereinten Nationen zu gewinnen, sollte eine baldige Abstimmung über die Abschaffung des UN-Komitees für die Ausübung der unveräußerlichen Rechte des palästinensischen Volkes und der Division of Palestinian Rights, der Abteilung der palästinensischen Rechte sein.“[2]
Politik der Einschüchterung
Die Vereinten Nationen sind der Gnade menschlicher Unmenschlichkeit ausgeliefert. Israel kann seinen Weg gehen, indem es andere ruiniert und hört lediglich „Zurückhaltung!“ Vielleicht hat die Schwäche der Körperschaft der Vereinten Nationen ihre Ursache in Angst, da Israel erfolgreich Einschüchterung betrieben hat. Nachdem sich der Vermittler der Vereinten Nationen Graf Folke Bernadotte erfolgreich mit prominentem britischen Personal angelegt hatte, um sie aus dem britischen Mandatsgebiet Palästina zu vertreiben, wurde er am 17. September 1948 ermordet, als er von Damaskus nach Jerusalem flog, um die Grenzen zwischen Palästina und dem heutigen Israel auszuhandeln. Es wurden sechs Schüsse aus nächster Nähe auf ihn und seinen Assistenten Oberst Andre Pierre Serot abgegeben.[3] Die Ermordung Bernadottes sandte eine klare Botschaft an alle Länder und an die zukünftigen Vertreter der Vereinten Nationen: Israel würde sich niemals auf Kompromisse einlassen. „Nehmen Sie die amerikanische Unabhängigkeitserklärung. Sie enthält keine Erwähnung territorialer Grenzen. Wir sind nicht verpflichtet, die Grenzen unseres Staates festzulegen.“ - Mosche Dajan (Jerusalem Post, 10. August 1967)
Jeder, der hierzu schweigt und andere nicht auf diese Dinge aufmerksam macht, ist ein Zuschauer, der einen blutigen Sport bejubelt. Jonathan Swift sagte treffend: „Ich wundere mich nie, wenn ich Menschen böse handeln sehe, aber ich wundere mich oft darüber, daß sie sich nicht schämen.“ Jeder von uns kann Leben retten, wenn wir gemeinsam handeln. Wir können das belagerte Volk retten.
Soraya Sepahpour-Ulrich hält den Magister in öffentlicher Diplomatie (public diplomacy) der Universität für Kommunikation von Südkalifonien in Annenberg, Los Angeles. Sie ist unabhängige Forscherin, die den Schwerpunkt ihrer Arbeit auf die US-Außenpolitik und den Einfluß von Lobbies gelegt hat.
Übersetzt vom Englischen ins Deutsche von Hergen Matussik, einem Mitglied von Tlaxcala, dem Übersetzernetzwerk für sprachliche Vielfalt (www.tlaxcala.es). Diese Übersetzung unterliegt dem Copyleft: sie kann frei verwendet werden unter der Bedingung, daß der Text nicht verändert wird und daß sowohl der Autor als auch die Quelle genannt werden.
Quellen:
- Perry, M. "Israeli Offensive Disrupts US-Hamas Contacts," Palestine Report, 9. October 2002, gefunden am 23. April 2004 auf www.jmcc.org/media/report02/Oct/2b
- www.aei.org/publications/pubID.23396,filter.all/pub_detail.asp
- J. Bowyer Bell, „Assassination in International Politics“, International Studies Quarterly, Vol. 16, No 1 (März 1972), S. 59 – 82
Quelle des Original-Artikels: http://www.informationclearinghouse.inf
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