Montag, 16. November 2009

Tanzende Arbeiter

KCTU Manifestation 7th November 2009 in Seoul.
The workers of Ssangyong with their amazing performance about their sit-strike May until August this year.
Impressionable atmosphere.
This is the international version of the movie "Die tanzenden Arbeiter von Ssangyong" http://www.youtube.com/watch?v=zOFCQj...
but without german subtitles.

Greetings from Germany to Japan and Korea!





Ein unbestreitbarer Höhepunkt der Kundgebungsreihe des kämpferischen südkoreanischen Gewerkschaftsverbandes KCTU war der Auftritt der Arbeiter von Ssangyong Motorenwerke am Abend des 7.11.2009.
Die Arbeiter von Ssangyong hatten ab Mai 2009 als Kampfmaßnahme gegen eine massive Entlassungswelle ihren Betrieb besetzt. Wochenlang verteidigten sie sich gegen Streikbrecher, angeheuertes Security-Personal und schließlich gegen die Polizei.
Sie schlugen militant mehrere Versuche, den besetzten Betrieb zu erstürmen, mit großer Militanz zurück.
Auf der Kundgebung waren sie die unstrittigen Helden der Veranstaltung und der gesamten südkoranischen Arbeiterbewegung.
Obwohl der von beiden Seiten überaus hart geführte Besetzungsstreik ("Sitzstreik") nur ein Teilsieg war, und mithin auch eine Teilniederlage (nicht alle entlassenen Arbeiter wurden wieder eingestellt) sind die Arbeiter von ssangyong durch ihren Mut und ihre Tapferkeit zum gefeierten Vorbild der südkoreanischen Arbeiterbewegung geworden.
Unglaublich jedoch die Tatsache, dass Arbeiter von Ssangyong auf der Tribüne mit den Mitteln des Tanztheaters (ein sehr typisches Assessoire der koreanischen Arbeiterbewegung) ihren harten Arbeitskampf selbst darstellten und dann - nach einer kruzen sehr kämpferischen Rede eines KCTU - Sprechers - auf der Bühne mit dem in viele zehntausende gehenden Publikum tanzten.
Dieser Film umfasst annähernd den gesamten Auftritt der Ssangyong-Arbeiter und übermittelt ein eindrucksvolles Bild von dem ungebrochenen Optimismus und der ungebrochenen Kampfkraft der Bewegung.

Wer sich näher über den spektakulären Arbeitskampf bei Ssangyong informieren möchte (allein schon um die Stimmung in diesem Film hier zu verstehen), dem seien folgende Links empfohlen:

http://www.youtube.com/watch?v=PLXCRz...
http://www.youtube.com/watch?v=xzIOmK...
http://www.youtube.com/watch?v=znMSlq...
http://www.youtube.com/watch?v=ArTION...
http://www.linkezeitung.de/cms/index....



Freitag, 21. August 2009

Sonntag, 5. Juli 2009

http://tamagothi.wordpress.com/2009/04/18/elektrisches-auge/


18. April 2009...02:29

Elektrisches Auge

Zu den Kommentaren

Aus aktuellem Anlass und mit nasskaltem Gruß an ZensUrsula von der Leyen heute wieder einmal ein flugs übersetzter Songtext aus meiner Jugend, in der es selbst in der populäreren Musik noch etwas gab, was im gegenwärtigen Auswurf der Contentindustrie gar nicht mehr vernehmbar ist: Mit wirklichem Mitteilungswillen verbundene und zitierfähige Texte.

Elektrisches Auge

Hier oben im Raum
Schaue ich auf euch hinab.
Meine Laser verfolgen
Alles, was ihr tut.
Ihr glaubt, dass ihr ein Privatleben habt…
Glaubt doch nicht an so etwas!
Es gibt wahrlich kein Entkommen,
Ich bin ununterbrochen wachsam.
Ich bin aus Metall gemacht,
Meine Schaltungen glimmen.
Ich bin unvergänglich.
Ich halte das Land sauber.
Ich bin der ausgewählte elektrische Spion;
Augengeschütztes, elektrisches Auge.

Immer im Blickpunkt;
Ihr könnt mein Glotzen nicht fühlen.
Ich zoome in euch hinein;
Ihr wisst nicht, dass ich existiere.
Es macht mich stolz, eure geheimen Bewegungen zu untersuchen.
Meine tränenlose Netzhaut macht Bilder, die als Beweise gelten.
Elektrisches Auge, oben am Himmel,
Fühlt, wie ich glotze, wie ich immer da bin;
Es gibt nichts, was ihr dagegen tun könnt.
Entwickelt und offen gelegt,
Ich weide auf jedem eurer Gedanken;
Und das lässt meine Macht groß werden:
Geschütztes, überwachendes, elektrisches Auge.

Frei nach “Electric Eye” von Judas Priest
(1982 auf “Screaming For Vengeance” veröffentlicht)

Die Übelsetzung und alle — trotz der recht scharfen und deutlichen Aussprache von Rob Halford eingeschlichenen — Verhörer sind von mir. Ich habe mich beim Übertragen entschieden, das in seinem Numerus unbestimmte englische “you” in der Pluralform zu übersetzen, im Englischen ist es auch als direkte Ansprache eines einzelnen Gegenübers zu verstehen. (Jüngere Sprecher des amerikanischen Englisch disambiguisieren dies zuweilen durch die analytische Konstruktion “you all” oder kontrahiert “y’all” für die zweite Person Plural, und diese umgangssprachliche Konstruktion hat gute Chancen, es in Zukunft einmal in die offiziellen Grammatiken zu schaffen.) Diese kleine Unbestimmtheit gibt dem englischen Originaltext eine zusätzliche gefühlte Schärfe und Härte, die sich nicht durch Übertragung in ungekünstelte Alltagssprache in das Deutsche hinüberretten lässt. Auch ist es unmöglich, die Homophonie von “I” (ich) und “eye” (Auge) und die daraus gezielt gebauten Unbestimmtheiten zu übertragen — ich bin mir selbst nicht darüber sicher, dass ich jedes Mal die beabsichtigte Bedeutung getroffen habe. Überall, wo “Auge” steht, kann auch “ich” gemeint sein, und umgekehrt — und da das “elektrische Auge” als Icherzähler auftritt, wird diese Überschneidung prägend für die Wirkung des Textes. Obwohl Judas Priest — im Gegensatz zu einigen anderen Vertretern des klassischen heavy metal — im Allgemeinen keine auffallend gestelzte Sprache pflegte, ist die Übersetzung einiger Songtexte doch schon sehr schwierig, und mit dem hier entstandenen Ergebnis bin ich alles andere als zufrieden.

Nach diesen Anmerkungen zu den Schwächen meiner Übelsetzung nun noch eine Kleinigkeit zum Hintergrund, warum ich diesen Text in das Bewusstsein rufen möchte:

Dass es mit den Freiheitsrechten in der BR Deutschland unter den Ideen einer Demagogin wie ZensUrsula von der Leyen und ihren allzu willfährigen Schergen unter den großen Zugangsprovidern nicht mehr so weit her ist, werden einige Leute wohl erst dann bemerken, wenn sie einen Proxyserver oder Nameserver aus China in ihre Netzwerkkonfiguration eintragen, um wieder an einem ungefilterten Austausch der Menschen Teil haben zu können. Und viele andere Menschen werden es nicht einmal dann bemerken, weil sie sich völlig mit der Tagesschau, den Talkshows, der Bildzeitung und DSDS zufrieden geben. Die neue Zeit der dezentralen Medien wird an der entstehenden great firewall of Germany erwürgt, bevor sie auch nur eine gesellschaftliche Wirkung entfalten konnte.


http://tamagothi.wordpress.com/2009/06/30/elias/

Elias



Hör meine Stimme,
Sie erzählt Geschichten;
Erzählt einfach nur die Wahrheit
Über manche Menschen
Für die nichts gerechtfertigt ist,
Die nur für dich beten.
Ein ausgehungerter Mann muss das sein
Der gern vernehmen möchte
Was diese verkrüppelten Gemüter erzählen.
Grüße von mir –
Sie gehen mit dem Wind.

Ich habe nicht die Absicht
…zu vergessen
…nachzutrauern
…mich an diese ganze Zeit zu erinnern;
…zu vergessen
…nachzutrauen
…mich an alle diese Dinge zu erinnern;
…zu vergessen
…nachzutrauern
…mich an all diese Jahre zu erinnern
Bei euch, bei euch.

Hör meine Stimme,
Sie erzählt Geschichten;
Erzählt einfach nur die Wahrheit
Über den ahnungslosen Elias,
Das Lügen dort bei dir.
Ahnungsloser Elias,
Die blutroten Erlöser
Werden niemals nach Hause kommen.
Grüße von mir –
Sie gehen mit dem Wind.

Ich habe nicht die Absicht
…zu vergessen
…nachzutrauern
…mich an diese ganze Zeit zu erinnern;
…zu vergessen
…nachzutrauen
…mich an alle diese Dinge zu erinnern;
…zu vergessen
…nachzutrauern
…mich an all diese Jahre zu erinnern
Bei euch, bei euch.

Wolfsheim, Elias | YouTube-Direktlink
Die Übelsetzung ist von mir und hat gewisse Schwächen in bewusst ambig gehaltenen Textpassagen , sollte aber völlig frei von Verhörern sein.


Samstag, 4. Juli 2009

Felsenwälzer

http://www.duckhome.de/tb/archives/6837-Felsenwaelzer.html


Samstag, 4. Juli 2009

Felsenwälzer

Eigentlich wollte ich mich an dieser Stelle nochmal richtig schön aufregen. Über die Arroganz der Europäer im allgemeinen. Über ihre Anmaßung, den Wert des Protestes im Iran beurteilen zu können im besonderen. Ich wollte auch nochmal sehr selbstkritisch hinterfragen, was wir Besser- bzw. Alleswisser während der letzten 20 Jahre getrieben haben. Waren wir im Widerstand? Haben wir den Neoliberalismus verhindert? Größtenteils hatten wir uns alle ganz gut arrangiert, wollte ich sagen. Und dass die crème Proseccosaufend beim Italiener rumlungerte. Soll bloß keiner von uns so tun, als könnten wir Phoenix-gleich aus dem Neoliberalismus auferstehen – und schwupps – schon befänden wir uns im besseren Leben. Ist es nicht vielmehr so, dass wir gar keine Vision vom besseren Leben haben?

Den Widerständischen im Iran oder anderswo, - unseren demonstrierenden Jugendlichen hier vor Ort oder anderswo, - den vielen Streikenden, - denjenigen, die keine Kraft mehr zum Protest haben, den Resiginierten – was haben wir ihnen zu sagen? Wie sieht er aus, unser Zukunftsentwurf? Ja, ja. Der Weg ist das Ziel. Auch so ein Spruch, der sich eine Zeitlang sehr gut machte. Und was ist, wenn wir bei der ersten Kreuzung wie die aufgescheuchten Hühner hierhin und dorthin laufen?

Die Wahl im Iran und die hiesigen Reaktionen auf die anschließenden Proteste glichen einem kopflosen Gerenne. Aufs Treppchen kam, wer am lautesten dabei schrie! Und unsere hartnäckigsten Patriarchatsverherrlicher hatten auch die Gunst der Stunde erkannt, um im allgemeinen Kampfgetümmel schnell ihre Losung zu platzieren. Stimmts, Männer? Entschuldigung, aber ihr habt sie doch nicht mehr alle! (Kurzes statement von mir: die Zukunft wird überall auf der Welt von Männern und Frauen gemeinsam besprochen werden, die willig und fähig zu gleicher Augenhöhe sind.) Zum Glück hat sich inzwischen ein wenig Distanz und Realitätssinn eingestellt und man bekommt die eine oder andere kühle Analyse zur Situation im Iran präsentiert. Bleibt das Unbehagen über unsere eigene geistige Verfaßtheit.

Mitten während dieser Überlegungen fiel mir eine Stelle im Goldenen Notizbuch von Doris Lessing ein. Sie handelt von der Dummheit. Und weil ich dieses Bild, das sie entwirft, so aussagekräftig finde, gebe ich es hier zum besten. Ich erspare mir mein Gezeter und denke stattdessen noch ein wenig über die sonderbare Arbeit der Felsenwälzer nach. Vielleicht auch über die großen Männer oben auf der Bergspitze, (dem Gipfel der Dummheit...).

Weder Kannibale noch Opfer, - sie werde Felsenwälzer, sagt die Frau zum Mann. Was das sei, fragt er. Und sie antwortet:

„Es gibt einen großen schwarzen Berg. Das ist die menschliche Dummheit. Es gibt eine Gruppe von Leuten, die einen Felsbrocken den Berg hinauf wälzen. Wenn sie ein paar Meter hochgekommen sind, gibt es einen Krieg oder die falsche Revolution, und der Felsbrocken rollt hinunter – nicht ganz hinunter, er bleibt immer ein paar Zentimenter oberhalb der Stelle liegen, wo er zuletzt lag. Also drücken diese Leute ihre Schultern gegen den Felsbrocken und beginnen ihn wieder hinaufzuwälzen. Währenddessen stehen ein paar große Männer auf der Bergspitze. Manchmal blicken sie hinunter und nicken und sagen: Gut, die Felsenwälzer sind noch an der Arbeit. Aber inzwischen grübeln wir über den Weltraum nach, oder wie es sein wird, wenn die Welt voll von Leuten ist, die nicht hassen, sich nicht fürchten und nicht morden.“


PS:
Kaum schließe ich diesen Eintrag, gibt es lustige Thesen von Doris Lessings Neffen. Gregor Gysi. Spiegel-online (tschuldigung, schon wieder) vermeldet: "Er wünsche sich manchmal, ´nicht jeder bei uns fühlte sich berufen, Weltpolitik zu machen`" und meint mit jeder wohl die Ideologen und Sektierer aus dem Westen. Richtig, Gregor Gysi, nicht jeder ist berufen, bei den "großen Männern auf der Bergspitze" zu stehen. Und das mit dem schlechten Rotwein ist auch peinlich. Aber woher weiß er, dass es nur Petting gab? (Wer hat denn hier gepetzt, Mädels?) Und noch eine Kleinigkeit: wußte gar nicht, dass im Osten immer guter Rotwein getrunken wurde. Na sowas.


Geschrieben von
Luise
in Deutschland um 17:33

Auf der Tretmine

http://ad-sinistram.blogspot.com/2009/07/auf-der-tretmine.html


Samstag, 4. Juli 2009

Es ist, als würde die besinnliche Stille eines Waldspazierganges, diese trügerische Sturmesruhe zwischen Bäumen und Wiesen, durch ein leises, aber doch in der Stille fein vernehmbares Knacken durchrissen. Man bleibt stehen, blickt um sich, bekommt zögerlich einen vagen Schimmer, woher dieses fremde Geräusch vernommen wurde, lugt hinab auf den Schuh des Standbeines, woher es unter der Schuhsohle knackend hervorkroch. Es ist, als würde man dessen gewahr, einer knackenden Tretmine auf den Kopf getreten zu sein. Man erahnt zwar nur, ob es sich um jenes Kriegsutensil aus den Werkstätten menschlicher Zivilisation handelt, aber zwischen Vermutung und Hoffen und Bangen schiebt sich die Gewissheit, dass ein nächster Schritt, und sei es auch nur ein winziger Schritt vor, zurück, nach rechts oder links, ein plötzliches Ende zur Folge hätte. Vernimmt man dann noch ein Ticken, ein stoisches, gleichmäßiges, in die Stille des Waldes hineintretendes Ticktack, welches gleich einem Autisten keine Verbindung den Dingen um sich kennt, so beschleicht einen der Gedanke, dass selbst das Ausharren auf der Mine, das sture Verweilen der Sohle an Ort und Stelle, irgendwann dank eines Zeitzünders zu detonierendem Ende führen werde. Man weiß es nur ungenau, man erahnt nur, man will von der Aussichtslosigkeit des Stehenbleibens, dem langsamen Ende herunterzählender Zeit, nichts wissen. Ohne dem Vergessen, ohne der Gabe der Naivität, wäre eine Aufrechterhaltung des Lebens undenkbar – wer vergisst, wer naiv verdrängt, dem wird Leben gespendet, wenn auch nur als Zeitkontrakt.

So steht man stundenlang, wie ein Gelähmter an der Stelle des heruntergedrückten Zündstiftes, reflektiert über seine Lage, ersinnt Fluchtpläne, die einem nicht den Rumpf von den Beinen und Armen abtrennt, eine Weile später Fluchtpläne, die einem wenigstens nur ein Bein kosten, nochmals später Fluchtpläne, bei denen man wenigstens eine Extremität zu behalten vermag. Obzwar man frei ist, man hingehen kann, wohin es beliebt, diese Freiheit, das wird einem schnell begreiflich, ist keine gehende, keine beliebige, sie ist eine robbende, kriechende, eine verblutende, die Freiheit fehlender Nachhaltigkeit, die Freiheit des Moments - vielleicht die einzige absolute Freiheit des Menschen. Ängstlich nistet man sich in der Gefangenschaft ein, erst ernüchtert, verängstigt, dann die Kette zur langen Leine verklärend, lockert die Kette hie und da, versucht aus der Anstrengung des Stehens in eine Entspannung des Sitzens zu geraten, immer die Schuhsohle satt auf den Stift pressend, immer mit Bedacht, keine Vibrationen entstehen zu lassen, sicher sei schließlich sicher. Tage und Nächte vergehen, man schläft sitzend zusammengekauert, redet sich ein, man hätte nie besser geschlafen, liegendes Schlafen sei zivilisatorischer Luxus, fern der Natur des Menschen. Man speist passierende Käfer, saugt deren Mark aus den winzigen Gliedern, befriedigt so seinen Durst, schlürft den Morgentau von den Grashalmen, kaut langsam und mit viel Genuss Gräser und kratzt den Vogelschiss, der als unregelmäßige Lieferung hinabgeschleudert wird, aus dem Haar, lutscht und schlürft daran und erfreut sich der wertvollen Nährstoffe, erfreut sich des würmischen Gustos, das trotz Verdauungstätigkeit von Stieglitz, Blaukehlchen, Nachtigall geschmacklich erhalten blieb. So, und nur so, ernähre sich der wahre Mensch, der Mensch im Einklang mit der Natur; so, und nur so, dürfe der Mensch sich sättigen; so, und nur so, ist aus der Ware Mensch der wahre Mensch zu verwirklichen. Aus der Kette, aus der Bürde, aus dem starren, bereits gefühlskalten Fuß, ist die absolute Freiheit entwachsen. So zu speisen, seinen Darm düngend in den sättigenden Wiiesen rundherum zu entleeren, seinen Harn gleichfalls abzulassen, im Sitzen zu leben und zu schlafen: all das ist zur Freiheit geworden, ist keine Notwendigkeit aus der Situation heraus, sondern Ausdruck von tief verwurzelter Überzeugung. Nicht der Zündstift regelt dieses Leben, sondern das Leben nistet sich am Zündstift. Und das Ticken, dieser stete Begleiter, ist keine drohende Akustik mehr, es ist der Takt des Lebens, der florierende Puls der neuen Freiheit. Es bejaht das Dasein am Zündstift, die lebensverneinende Bedeutung ist entschwunden.

Es ist, als säße man zu Füßen einer Mine, um sich blickend, zufrieden in die Welt und in die Zukunft glotzend, sich labend an den Köstlichkeiten der kreuchenden und fleuchenden Natur. Währenddessen die tickende Vergänglichkeit, die zur lebensbejahenden Ader geworden ist, leugnend oder beschönigend, das eigene, an den Zuständen ausgerichtete Leben als besseres, vorallem aber freiwillig gelebtes Leben preisend. Wer hat schon täglich Bäume und Wiesendüfte auf seinem Tagesprogramm? Wer verköstigt sich schon täglich mit den Annehmlichkeiten der Natur, ißt wie ein Edelmann? Es ist kein Arrangement mehr, es ist tiefe, unverbrüchlich verankerte Überzeugung. So tief, so verankert, dass ein hilfsbereiter Wanderer, der den Freiheitsüberzeugten aus seiner Lage befreien möchte, zum Angreifer wird, zum Mißgönner dieser harrenden Freiheit. So sehr, dass ein solcher Störenfried in seinem Eifer unterbunden werden muß, notfalls mit Gewalt, notfalls durch Totschlag. Es ist, als würde man einer hilfsbereiten Hand, den Befreier aus der zur Freiheit gewordenen Not, den Schädel zertrümmern. Als würde man zum Mörder einer Freiheit, die nur innerhalb der Windungen der Kettengliedern heimisch war. Und doch mordete man nicht, man befreite sich lediglich von der drohenden Unfreiheit, man verteidigte sich, handelte aus Notwehr. Wer würde in der Unfreiheit das Ticktack ersetzen, würde den Takt des Lebens in die eigene kleine Welt hinausticken? Wo bekäme man den Genuss frischer Maden und Käfer aufgetragen? Könnte man den ausgeschiedenen Darminhalt weiterhin als Dünger nachwachsender Graseskost verwenden? Das Leben am Fuße des Fußes auf dem Zündstift, hat seine Versprechungen erfüllt, Freiheit garantiert und verwirklicht. Es ist, als hätte man das Lebensglück gefunden, als hätte man aus dem Pech seines Lebens die Essenz der Glückseligkeit gepresst.

Samstag, 18. April 2009

Im gutem Glauben

http://ad-sinistram.blogspot.com/2009/04/im-gutem-glauben.html


Samstag, 18. April 2009

Straffreiheit für Folterknechte, weil diese im „gutem Glauben“ genötigt hätten. Weil sie sich auf die Einschätzungen des Justizministeriums, auf die eigene Sache, verlassen haben; weil sie nur gehandelt hätten nach Richtlinien und Maßstäben, die man ihnen als Tatsache des guten Glaubens verabreicht habe. Wenn dann Knochen knacken, wenn Subjekte – man spricht nicht mehr von Menschen, damit machbar wird, was menschlich gar nicht machbar wäre – wimmern, wenn sie jammern und weinen, um Erlösung beten, wenn sich Körper winden unter Stromstössen, wenn Münder wild nach Luft schnappen, nachdem man sie samt Kopf minutenlang unter Wasser drückte, wenn dem Subjekt eine irdische Hölle dargebracht wird, dabei Informationen seitens der Machthaber dieses Vorgehen legitimieren, zur Notwendigkeit im Namen des nationalen Interesses interpretieren, dann handelt man im gutem Glauben, ist kein Henker, kein Täter, sondern Opfer - Glaubensopfer.

Dabei wäre es nur konsequent, denn die Großen läßt man ja sowieso laufen. Warum also nicht auch die Kleinen? Damit wäre der Vorwurf, wonach immer nur die Kleinen bluten müßten, während die Großen davonkämen, vom Tisch – so einfach kann Gerechtigkeit verteilt werden! Dabei ist dieser Ausspruch schwindender Gewaltherrschaften, wonach Kleine gehängt würden, während Große freikämen, nichts weiter als das selbstgefällige Jammern ganzer Bevölkerungen, die alle Schuld den Machthabern zuschieben wollen, um sich selbst einigermaßen unschuldig fühlen zu dürfen. So war es nach 1945, so war es nach dem Mauerfall – KZ-Wärter und Mauerschützen wurden teilweise verurteilt, Nazi-Bonzen und Honecker flüchteten nach Südamerika. Obama schürt also Gerechtigkeit, denn er verurteilt beide nicht, macht Straffreiheit zum großen Gleichmacher, der über jede soziale Grenze hinweg Gewissen reinwäscht. Und bevor man die Foltergesellen, die sich die Hände persönlich blutig gemacht haben, einem Gerichtsverfahren unterzieht, während Bush und Rumsfeld ihre ins Trockene gebrachten Schäfchen zählen, gleicht man die Bedingungen einfach an.

Dabei wäre das Prinzip, auch die kleinen Ganoven, die Helfershelfer, die Mitläufer und ausführenden Kräfte, die nur im gutem Glauben agieren, die Öfen in Auschwitz nur liefen ließen, weil Statuten und Befehle dies vorgaben, eine gebotene Notwendigkeit. Freilich, auch die Granden, die sich das ganze Spiel, die Regeln der Veranstaltung, ersonnen haben, dürfen nicht davonkommen. Aber es gibt keinen Grund, solche, die das Regelwerk erfunden haben, härter zu bestrafen, als diejenigen, die das Regelwerk "lediglich" munter anwandten. Die Idee zu Foltern ist moralisch nicht verwerflicher, als die selbst begangene Folterung am Mitmenschen. Ja, man muß die Kleinen mit aller Härte bestrafen, sie den gleichen Maßstäben unterziehen, denn unter dem Eindruck blutiger Leiber, jammernder Menschen, unerträglich abgehungerter Gestalten, tot herumliegender Kinder, so wie vor geraumer Zeit; und unter dem Eindruck sich erbrechender Menschen, die in arabischer Sprache um Gnade betteln, die Dinge zugeben, von denen sie nicht einmal eine Ahnung hatten, dass es sie gibt, unter der ethischen Bürde einknickender Charaktere, verheulter Gesichter, suizidaler Verhaltensweisen, kann kein guter Glaube entstehen. Wenn Obama diese Floskel benutzt, dann verhübscht er die Tatsache, dass ein solcher Glaube, ein Höllenkult ist; sicherlich eine Form des Glaubens, aber nicht gut. Es ist der Glaube an das Schlechte im Menschen, an das Schlechte das man am Mitmenschen begehen kann, um dessen Schlechtes herauszuquetschen. Dieser „gute Glaube“ ist lediglich der im Militärareal eingegrenzte Kult des Perversen, eine zum Glauben gewordene Gewaltorgie, die das Knochenbrechen als Amen und den von Stromzufuhr zuckenden Körper als Kruzifix begreift. Was die Menschheit nicht vermochte, nämlich ein irdisches Paradies zu erschaffen, erschuf sie im Negativen. Die irdische Hölle, als Ort des guten Glaubens. So einen paradoxen Zustand kann nur das paradoxe Wesen des Menschen hervorrufen. Mit Camus gesagt: „Wir Kinder dieser Jahrhundertmitte brauchen keine anschaulichen Schilderungen, um uns derartige Orte vorstellen zu können. Vor hundertfünfzig Jahren brachten Seen und Wälder das Gemüt zum Schwingen. Heute stimmen Lager und Gefängniszellen uns lyrisch. Ich überlasse die Ausmalung also vertrauensvoll Ihrer Phantasie.“

Die Hölle als Prinzip des Irdischen. Denn mit der Schließung dieses Schattenreiches brechen sicherlich keine paradiesischen Zeiten über uns herein. Die ohne rechtliche Grundlage internierten Muslime kehren in ihre Heimatländer zurück, verbittert über die USA, die foltern ließen, aber auch verbittert über die ganze westliche Welt, die Kriege im Namen der Demokratie mitgetragen hat, die aber demokratische Behandlung für die Internierten nicht zum Gegenstand einer Debatte machen wollte. Und zu allem Überdruss werden die Teufel, die sich frisch ans Blutwerk machten, die ihnen Elektroklammern an Brustwarzen setzten, sie nackt auszogen und demütigten, freigesprochen von aller Schuld, weil sie ja im Sinne des guten Glaubens unschuldig seien. Mancher inhaftierte Taliban, der den Lehren seiner Herren folgte, der womöglich seine Frau kleinhielt und Musik ächtete, war ebenso dem guten Glauben seiner Herrn erlegen. Doch das ist bedeutungslos, er folgte im gutem Glauben dem Falschen – was wir für falsch erachten. Verbittert kehren sie zurück, und Obama sei Dank auch gedemütigt, denn ihr erlittenes Leid ist nicht einmal einer Gerichtsverhandlung wert. Die vielgepriesene Demokratie, die die USA in die Welt bomben wollten, ist nicht einmal dazu in der Lage, die eigenen Quälmeister zu belangen, sie zu verurteilen. Das Leid des Moslems zählt nichts, es ist belanglos, selbst wenn es offensichtlich in einem illegalen Umfeld passiert, selbst wenn fassbares Unrecht waltet, selbst wenn sogar jedem ethisch unbegabten Menschen einleuchtet, dass hier eine ganz große Sauerei begangen wurde. Solche Gestalten straffrei zu belassen, ist ein eindeutiges Zeichen an die muslimische Welt. Was Obama hier betreibt ist die Hölle, denn mit solchen Maßnahmen, nähert man sich dem Islam nicht an, man stößt ihn weg, sorgt für weitere irdische Unterwelten, neue Horrorszenarien, in denen Blut fließt, Körperteile fliegen und Tränen vergossen werden.

Nebenbei gliedern sich diese Knechte der Unmenschlichkeit heimlich, still und leise in die US-amerikanische Gesellschaft ein; seelische Krüppel, die aus gutem Glauben heraus Leid verteilten, ohne auf die Idee zu kommen, dass sie etwas tun, nationale Sicherheit hin oder her, was aus humanistischen Gründen niemals gerechtfertigt sei. Befehl war Befehl, Anordnung war Anordnung. Man habe nur so gehandelt, weil man mußte. Persönlich sehe man das vielleicht anders, aber es gibt Richtlinien. Wo käme man da hin, wenn plötzlich jeder sein Gewissen zum Maßstab erhebt? Den Deutschen muß man solche Ausreden nicht erklären, ältere Jahrgänge haben sich gerne dieser Litanei an Ausflüchten bedient, jüngere Jahrgänge haben diesen amoralischen Quatsch, den zur Ausrede gewordenen Untertanengeist viel zu oft hören müssen. Es hat lange genug gedauert, bis man offen erklären konnte, dass nicht nur die Hitlers und Himmlers schuldig seien, sondern auch die Mayers und Hubers, die uniformiert Befehle umsetzten, die freiwillig kein klar denkender Mensch einem anderen Menschen antun würde. Und solche Gestalten, die sich hinter Uniform und Vorgesetzten verstecken, damit ihre mangelnde charakterliche Erscheinung gar nicht erst sichtbar wird, werden der US-amerikanischen Gesellschaft zugeführt. Während man dort wie hier, Menschen (zu recht) verurteilt, weil sie andere Menschen vergewaltigen oder gewaltsam ausrauben, während man sogar prügelnde Jugendliche strafrechtlich verfolgt, sollen die staatsgelenkten Gewalttäter, die menschliche Wesen mit Gewalt gebrochen und deren Seelen vergewaltigt haben, mit Straffreiheit auszeichnet werden. Der staatliche Gewalttäter hat, wie beinahe immer, einen Freifahrtschein. Im Namen der Nation ist Mord kein Mord, Folter keine Folter – im Namen der Nation nennt man es Krieg oder Liquidierung, nennt man es Notwendigkeit aus Gründen der nationalen Sicherheit. Des Staats Euphemismen fördern den guten Glauben, sie lassen es zu, dass Menschen zu Henker werden, Gewalt mit froher Miene austeilen. Solche Henker, die im Sinne des Staates keine Henker sind, sondern dessen Mitarbeiter, treuergebene Angestellte, haben nicht pervers genug gehandelt, um die eigene Bevölkerung vor ihrem entmenschlichten Wesen schützen zu wollen. Was für den Vergewaltiger gilt, gilt nicht für den Henker.

Es mag nur eine Randerscheinung in Obamas Politik sein, eine belanglose Entscheidung, die zunächst niemanden wehtut. Aber betrachtet man diesen realpolitischen Nihilismus der Straffreiheit, wird klar, dass Obama nicht einmal im Ansatz der Heiland ist, zu dem man ihm gemacht hat. Er betreibt das Geschäft staatlicher Dominanz- und Repressionspolitik, wie es sein direkter Vorgänger betriebt. Er betreibt es vielleicht von der anderen Seite, ein wenig gezügelter, mit charmanter Miene – aber er betreibt es. Der Respekt vor der muslimischen Welt bleibt Phrase, weil das Leid der Internierten ihm nicht einmal ein Strafprozess wert ist, weil er Unrecht zum Gleichmacher erklärt, die mandatsträchtigen Erfinder und Befürworter der Folterpolitik ebenso zufrieden läßt, wie diejenigen, die befürwortend mitmachten. Pragmatismus nennt man das, politische Notwendigkeit sei das, dabei ist es nichts anderes als Nihilismus und damit eine Verschlechterung der Weltzustände.

Mittwoch, 15. April 2009

Was ihr dem Geringsten meiner Brüder...

http://ad-sinistram.blogspot.com/2009/04/was-ihr-dem-geringsten-meiner-bruder.html



Mittwoch, 15. April 2009

Wo den gesellschaftlich Ausgestoßenen geschmäht wird, da wird auch mir geschmäht.
Wo des Ruheständlers Lebensberechtigung angezweifelt, sein Alter als Bürde für die Gemeinschaft verunglimpft wird, da entzieht man auch mir die Lebensberechtigung und macht mich zur Bürde.
Müssen Kinder mit gesellschaftlichem Segen in Armut ausharren, so wandle ich zum harrendem Kinde.
Raubt man Kranken in finanziellen Zwängen die Therapie, die Hoffnung, die Schmerzfreiheit, so wirft man mich ebenso in Schmerzen, nimmt mir ebenso Hoffnung.
Leidet der Wanderarbeiter an Ruhe- und Heimatlosigkeit, sieht seine Zukunft als schwarzes Loch, so ist auch meine Zukunft löchrig und schwarz, so hemmen auch mich fehlende Ruhe und verlorengegangene Heimat.
Spottet man Behinderter, grenzt sie aus, sieht sie als humane Mangelerscheinungen, möchte auch ich ausgegrenzt, verspottet und als Mangelerscheinung verschrien werden.
Benachteiligt man Schwule, reimt man ihre sexuelle Emanzipation zu Spöttelversen, so stiehlt man auch mir die sexuelle Emanzipation, so macht man auch mich schwul.
Beseitigt man Obdachlose, um das Stadtbild zu säubern, säubert man dieses städtische Bild auch von mir, werde ich zum Obdachlosen.
Verfolgt man Menschen ob ihrer Hautfarbe, ihrer Religion, ihrer politischen Gesinnung, so verfolgt man auch mich, tastet meine Hautfarbe, meine fehlende Religion, meine politische Gesinnung an.
Sperrt man Andersdenkende weg, so bestehe ich darauf, auch selbst weggesperrt zu werden.
Fällt man in Landstriche ein, mordet und brandschatzt, vergewaltigt und foltert, ermordet man auch mich, brandschatzt an meiner Würde, vergewaltigt man meine Ethik, foltert man meine pazifistische Haltung.
Unterdrückt man Meinung, unterdrückt man meine Meinung; unterdrückt man Persönlichkeitsrechte, unterdrückt man meine Persönlichkeitsrechte; unterdrückt man Freiheit, unterdrückt man meine Freiheit.
Interniert man Flüchtlinge auf australischen Inseln, sperrt sie jahrelang hinter Zäune, so interniert man mich, sperrt meinen Gerechtigkeitssinn hinter Zäune.
Ich werde zum Juden, wo man Juden als Übel beleidigt; ich werde zum Schwarzen, wo man Schwarze als faule Nichtsnutze entwürdigt; ich werde zum Indio, wo man Indios aus ihren Dörfern jagt, sie interniert oder vergiftet.

Was man dem Geringsten meiner Mitmenschen antut, das tut man auch mir an. Was an Unrecht und Ungerechtigkeit in der Welt steht, steht auch in meinen Räumen. Nichts geschieht auf der Erde, was nicht auch mich betrifft. Was mich immer betrifft. Wenn sie heute das Gesindel einsperren, ich dabei schweigend, wenn sie morgen die Alten in Kollektivheime stecken, ich dabei schweigend, wenn sie übermorgen ganze soziale Schichten in Wohngegenden pferchen, ich dabei schweigend, wer soll dann sein Schweigen brechen, wer wäre dann noch da, der sein Schweigen brechen könnte, wenn sie mich holen? Jede begangene Untat, jede von Staaten, Industrien, Ideologien, Parteien, Organisationen willkürlich in Kauf genommene oder mit Kaltschnäuzigkeit begangene Untat, ist eine Untat an mir.

Die Welt im Kleinen, vor der eigenen Haustüre zu ändern, damit sie auch vor anderen Haustüren, vor Hütteneingängen, vor Iglupforten, unter Palmenblättern verändert wird, ist ein Ansatz. Das oft gehörte, immer wieder von der Bürgerlichkeit als Praxis der direkten Tat postulierte Reduzieren auf ein "bloß vor der Haustüre ändern", damit eine unsichtbare Hand auch fern unserer zur Hölle werdenden Heimat Änderungen vollziehen würde, greift zu kurz. Den Blick für das Ganze nie verlieren, es persönlich nehmen, wenn Freiheit am anderen Ende der Welt mit Stiefelspitzen getreten wird, solidarisch sein, wenn nicht physisch, so doch psychisch! Wo man dem Geringsten meiner Mitmenschen Unrecht antut, und sei er Mörder, sei er Verbrecher, dem die Vertreter eines Rechtsstaates dennoch Unrecht widerfahren lassen, da tut man mir Unrecht an. Eine Gesellschaft der Zukunft muß begreifen, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings Orkane auslösen kann; muß aber auch begreifen, dass Gewalt am anderen Ende der Welt, ebenso Orkane im eigenen Umfeld entstehen lassen kann.

Freitag, 3. April 2009

Sit venia verbo

http://ad-sinistram.blogspot.com/2009/04/sit-venia-verbo.html


Sit venia verbo

Donnerstag, 2. April 2009

"Zahlreiche Ärzte, die sich im Dritten Reich schwerer Verbrechen schuldig gemacht haben, beginnen nach Kriegsende eine zweite Karriere. Manche werden nie ausgeforscht, andere nur zu kurzen Haftstrafen verurteilt oder begnadigt. Gerichte halten den Massenmord in den Gaskammern für „eine der humansten Tötungsarten“. Ärztekammern vermögen in der Teilnahme an der Euthanasie oder an Menschenversuchen kein standeswidriges Verhalten zu erkennen. Ärzte, die in den Konzentrationslagern an der Rampe standen, dürfen wieder praktizieren. Professoren, die unwertes Leben selektierten, bilden akademischen Nachwuchs aus. Legitimationstheoretiker der nationalsozialistischen Rassen- und Vererbungslehre fahren in ihren wissenschaftlichen Publikationen dort fort, wo sie nach Kriegsende verunsichert innegehalten hatten.
Viktor von Weizsäcker, der Onkel des späteren Bundespräsidenten, darf zwei Jahre nach Kriegsende wieder schreiben: „So wie die Amputation eines brandigen Fußes den ganzen Organismus rettet, so [rettet] die Ausmerzung der kranken Volksteile das ganze Volk.“ Er fühlt sich im Recht: „Wenn das ganze Volk in Lebensgefahr schwebt und durch Beseitigung einzelner Individuen gerettet werden kann, müssen diese Individuen geopfert werden.“ Er habe sich „berechtigt und verpflichtet“ gefühlt, „diese Opfer zu erzwingen, also zu töten.“
1942 hat sich Weizsäckers Neurologisches Forschungsinstitut an der Universität Breslau von der oberschlesischen Kinderfachabteilung Loben mit Gehirnen getöteter Schwachsinniger beliefern lassen. Nach 1945 wird der uneinsichtige Neurologe zum Vorbild jener Medizin-Verbrecher, die sich in den Prozessen auf die Wissenschaftlichkeit ihrer Arbeit berufen.
Otfried Foerster, Weizsäckers Vorgänger in Breslau, der die entsetzlichsten Versuche an lebenden Menschen ausführte, wird von der Kollegschaft postum verherrlicht. Die Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie verleiht 1953 zum ersten Mal eine Otfried-Foerster-Medaille.
Foersters Lehrmeister Robert Gaupp, Legitimationstheoretiker der Euthanasie, der auf der Jahresversammlung des Deutschen Vereins für Psychiatrie 1925 für die „Unfruchtbarmachung geistig und sittlich Kranker und Minderwertiger“ votiert hat, wird in dem 1959 erschienenen dreibändigen Werk „Große Nervenärzte“ als „vorbildlicher Wissenschaftler“ beschrieben. Herausgeber Kurt Kolle glorifiziert Väter der Euthanasie wie Max de Crinis oder Carl Schneider ebenso überschwänglich wie jene Wissenschaftler, die mit den Organen Ermordeter experimentieren. Sein Lob für Euthanasie-Befürworter und „Irrenanstalten alten Stils“ gipfelt in der Aufforderung an junge Kollegen, „den großen Vorbildern nachzueifern“.
Als die Sterilisation geistig Behinderter Mitte der siebziger Jahre in Deutschland wieder zum Thema wird, betont eine Drucksache des Deutschen Bundestages die Einwilligung der Bundesvereinigung Lebenshilfe für geistig Behinderte. Deren Vorsitzender: Professor Werner Villinger, Euthanasie-Gutachter des NS-Regimes, der nach Kriegsende eine zweite Karriere gestartet hat.
Professor Hermann Muckermann, der sich schon 1926 für seine Erbgesundheitsforschung vom Jesuitenorden hat freistellen lassen, publiziert nach dem Krieg so weiter, als hätte es die Politik der Ausrottung nie gegeben. In der Diktion nationalsozialistischer Propagandapamphlete wettert er dagegen, dass man „schwer belastete Geisteskranke“ mit großem Aufwand unterbringe, während „gesunde Mütter vieler Kinder in Kellerlöcher verelenden“. Angesichts der Tatsache, dass Menschen in Heil- und Pflegeanstalten ein hohes Alter erreichen, könne man sich ausrechnen, „wie viel wir für erbgesunde Familien gewinnen würden, wenn die Fürsorgebedürftigkeit eingeschränkt werden könnte“.
Zwei Jahre nach Kriegsende wird sein Buch „Der Sinn der Ehe“ neu verlegt, dessen Erstfassung 1938 erschienen war. So liest es sich auch. Muckermann mahnt zur national orientierten Gattenwahl: „Wer das ureigene Gesicht eines Volkes bewahren will, wird sich [...] für Ehen innerhalb des gleichen Volkes einsetzen. Ehen von Menschen, deren Prägung so große Verschiedenheit aufweist, wie sie zwischen europiden und negriden Völkern stehen, sind abzulehnen.“
Zu seinem 75. Geburtstag erhält der Mann, der der Ausmerzung Minderwertiger so beredt Vorschub geleistet hat, das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik, 1957 ehrt man ihn anlässlich seines achtzigsten Geburtstags als „eine der ehrwürdigsten Erscheinungen des deutschen Geisteslebens“.
In dem 1940 erschienen Buch „Erbpflege und Christentum“ wird als Pendant zu Muckermann auf katholischer Seite Professor Hans Harmsen als „Wegbereiter der Erbpflege in der evangelischen Kirche“ gewürdigt. Der Legitimationstheoretiker des NS-Regimes setzt nach Kriegsende seine Agitation im Sinne des nationalsozialistischen Erbgesundheitswahns ungerührt fort. Einige Monate nach der Kapitulation wird ihm die Leitung der Hamburger Akademie für Staatsmedizin anvertraut. Dort darf er angehende Amtsärzte davon überzeugen, dass es falsch sei, dem Sterilisationsgesetz „eine typisch nationalsozialistische Ideologie unterzuschieben“, weil sich dieses „schon vor 1933 organisch entwickelt hat“. An der Hamburger Universität gründet Harmsen die Deutsche Akademie für Bevölkerungswissenschaft, an der Kollegen wie Hermann Arnhold tätig werden, der im Dritten Reich dem Reichssicherheitshauptamt als Zigeunerexperte dienstbar war.
Harmsen sammelt Titel und Ämter wie andere Briefmarken. Er gehört in führender Position der Ernst-Barlach-Gesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie und der Weltgesundheitsorganisation an. 1952 avanciert er zum Vorsitzenden von Pro Familia, Deutsche Gesellschaft für Ehe und Familie e.V. In dieser Funktion rückt Harmsen in den Beirat des Bonner Familienministeriums auf, das sich auch dann nicht von ihm trennt, als seine Fixiertheit auf die erbbiologischen Vorstellungen des Nationalsozialismus öffentlich thematisiert wird. „Es gibt Menschen, die immer auf der richtigen Seite stehen: dort, wo Karrieren vergeben werden“, schreibt Ernst Klee über ihn.
Ohne Sensibilität für die Nöte der Opfer bestärken selbst höchste Repräsentanten der Politik die Öffentlichkeit in ihrer Haltung, die Selbstreinigung von einer verbrecherischen Ideologie zu verweigern. Als ein ehemaliger NS-Mediziner aus dem Mitarbeiterstab von Propagandaminister Joseph Goebbels vor der Deutschen Bundespräsidentenwahl 1954 wissen will, ob das „entsetzliche Gerücht“ stimme, dass Theodor Heuss „Judenmischling“ sei, antwortet dessen persönlicher Referent ungerührt: Bereits im Jahr 1932 habe eine gerichtliche Auseinandersetzung mit einer nationalsozialistischen Tageszeitung die „reine Rasse“ seines Chefs dokumentiert.
Mehr als vierzig Jahre später ist die Sensibilität kaum größer. Als Hannelore Kohl von der Medizinischen Fakultät der Greifswalder Universität zum 50. Jahrestag des Kriegsendes den Doktortitel honoris causa entgegennimmt, bleibt unerwähnt, dass diese Bildungsstätte mit ihrem Institut für Vererbungswissenschaft Vorreiter nationalsozialistischer Vernichtungspolitik und Tatort zahlloser medizinischer Verbrechen war. Arthur Gütt, Mitautor des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, hat hier sein Medizinstudium absolviert. Politiker scheint das ebenso wenig zu interessieren wie die auf Vertuschung und Verdrängung eingeschworene Ärzteschaft."
- Hans-Henning Scharsach, „Die Ärzte der Nazis“ -

Donnerstag, 26. März 2009

Blick in die Zukunft vom Spiegelfechter

http://www.spiegelfechter.com/wordpress/508/deutschland-im-jahre-2015


Schönes neues Netz - Deutschland im Jahre 2015

26. März 2009 von Spiegelfechter - Drucken

Robert hatte schlecht geschlafen. Seit er vor zwei Monaten seinen neuen Job bei der Bundesprüfstelle für elektronische Medien angetreten hatte, passierte ihm das häufiger. Immer wieder verfolgten ihn diese Träume, die ihm den Schlaf raubten. Roberts berufliche Aufgabe bestand darin, Inhalte des World Wide Web zu überprüfen. Seitdem sich im Jahre 2010 die Internetkriminalität epidemisch ausbreitete, hatte der Staat dem „alten Netz“, wie man es heute nennt, den Kampf angesagt. Um der Gefährdung begegnen zu können, ohne die Bürger selbst in akute Gefahr zu bringen, wurde 2013 auf Betreiben des Innen- und des Familienministeriums das „Gesetz für reine Netzmedien“ erlassen. Deutsche Zugangsprovider durften fortan normalen Kunden nur noch das neue Netz, das WWW2, anbieten. Um Internetseiten im WWW2 anbieten zu dürfen, muss der Seitenbetreiber eine freiwillige Zulassungsprüfung beantragen. Um die wirtschaftliche Basis des Standorts Deutschland nicht zu gefährden, wurde „Trusted Companies“ allerdings ermöglicht, diese Zulassungsprüfung zu umgehen. Als Gegenleistung mussten diese Unternehmen eine Kaution in Höhe von 100.000 Euro hinterlegen, die allerdings voll steuerabzugsfähig war. Robert hatte daher auch nur selten mit professionellen Anbietern zu tun, sein Tätigkeitsfeld waren vielmehr private Internetseiten und vor allem sogenannte Weblogs – eine Netzsubkultur, die sich im letzten Jahrzehnt gebildet hatte und deren Vertreter nur all zu oft mit den neuen Gesetzen in Konflikt kamen.

Das Netz ist ein Spiegelbild seiner Bewohner, und genauso wie in der realen Welt muss sich eine offene Gesellschaft auch im Netz vor Individuen schützen, die die inneren Werte der Gesellschaft systematisch zu untergraben versuchen. Um die Schwächsten unserer Gesellschaft, unsere Kinder, zu schützen, hatte die CDU-Regierung nach ihrem historischen Wahlsieg im Jahre 2009 deutsche Internetprovider erstmals gesetzlich dazu gezwungen, bestimmte Angebote des „alten Netzes“ zu sperren. Leider hatten diese ersten Zugangsregelungen nur wenig Erfolg. Im Gegenteil – nachdem die deutsche Sperrliste auf den ersten sogenannten „Datenschutz-Seiten“ auftauchte, breitete sich die Kinderpornographie im Netz mit rasanter Geschwindigkeit aus. Wer auf diese Liste verlinkte, oder auf Seiten verlinkte, die ihrerseits auf Seiten verlinkten, die die Liste verlinkten, machte sich strafbar. Die betroffenen Seiten – die meisten waren besagte Weblogs – wurden daraufhin selbst auf die Sperrliste gesetzt, was wiederum solche Seiten in das Visier der ermittelnden Behörden beförderte, die auf die Neuzugänge der Sperrliste verwiesen. Binnen eines Jahres wuchs so nicht nur die Sperrliste auf über 10.000 Einträge, die offizielle Kriminalstatistik über Kinderpornographie im Internet wuchs ebenfalls in einem epidemischen Maß.

Um dieser Gefahr für unsere Kinder adäquat zu begegnen, erarbeitete das BKA damals einen Maßnahmenkatalog. Zur Entlastung der Gerichte wurde straffälligen Bürgern in einem Schnellverfahren der Zugang zu elektronischen Medien auf Lebenszeit untersagt. Provider mussten ihre Kundenlisten mit dem BKA abgleichen und jeder Neuantrag wurde penibel überprüft. Technische Hilfsmittel, die dazu imstande waren, die staatliche Sperrliste zu umgehen, und deren Nutzung wurden verboten – ebenso wie elektronische Schriften, die auf solche Angebote verwiesen. In Folge der neuen Gesetze wuchs die Internetkriminalität weiter in bisher unbekanntem Maß. Die Behörden konnten ihre Pflicht, die Bürger des Landes vor der Kriminalität aus dem Netz zu schützen, nicht mehr wahrnehmen und die Sperrliste war mittlerweile auf über 250.000 Einträge angewachsen, was nicht zuletzt eine Folge der Ausweitung auf andere Bereiche der Internetkriminalität geschuldet war. Da die deutsche Volkswirtschaft in der Weltwirtschaftskrise vor Produktpiraterie, Urheberrechtsverletzungen und illegalen Glücksspielen geschützt werden musste, wurden 2011 auch diesbezügliche Inhalte in die Sperrliste aufgenommen.

Der Kampf gegen die grassierende Internetkriminalität war im Bundestagswahlkampf 2013 dann auch die primäre Forderung des Unions-Kanzlerkandidaten von Guttenberg. Politische Brisanz gewann dieses Thema auch deshalb, weil im Jahr zuvor zahlreiche Abgeordnete der Parteien „die Linke“ und „die Grünen“ wegen des rechtswidrigen Konsums verbotener Internetinhalte aus dem Bundestag ausgeschlossen wurden, woraufhin auch Partei-Verbotsverfahren angestrengt und durchgesetzt wurden. Kein Raum für Nazis, Kommunisten, Pädophile und Internetbanditen – so forderte damals die BILD, deren ehemaliger Chefredakteur Kai Diekmann in der Regierung Guttenberg als Medienkoordinator maßgeblich am neuen, sauberen Netz, dem WWW2, mitarbeitete.

Durch das „Gesetz für reine Netzmedien“ konnte die Internetkriminalität in Deutschland endlich besiegt werden. Zugang – unter strenger Überwachung - zum „alten Netz“ hatten fortan nur noch ausgesuchte Personen, die nachweisen konnten, dass sie das Netz für Marktanalyse oder Forschungszwecke benötigten. Dadurch konnten letztendlich die deutschen Bürger wirkungsvoll vor den renitenten Content-Providern geschützt werden, die unter ständig wechselnder Identität über russische und chinesische Hoster ihre Weblogs betrieben und unter dem fadenscheinigen Argument des „Datenschutzes“ Partei für Pädophile, Nazis, Kommunisten und Internetbanditen ergriffen. Einige dieser Blogger entzogen sich als selbsternannte Cyberdissidenten dem Zugriff deutscher Behörden. Da Internetkriminalität zu einem international verfolgter Straftatbestand gemacht wurde, konnten diese Cyberdissidenten nur aus solchen Ländern heraus operieren, die sich beharrlich weigerten, Internetstraftäter nach Deutschland auszuweisen – neben China und Russland gehörten vor allem die krypto-sozialistischen und weltweit geächteten Staaten Südamerikas dazu.

Tag für Tag musste Robert sich diese Erzeugnisse anschauen. Wenn er eine Seite für unbedenklich hielt, verfasste er einen Bericht, der an die zuständige Stelle in Dieckmanns Informationsministerium weitergeleitet wurde. Dass eine solche Seite von den Behörden eine Betriebserlaubnis für das WWW2 erhielt, hatte Robert allerdings in seiner zweimonatigen Arbeitszeit noch nie erlebt. Gestern musste er den Antrag eines dieser unbelehrbaren Blogger bearbeiten. Der deutschstämmige Cyberdissident, der sein Angebot ins WWW2 stellen wollte, war den Behörden kein Unbekannter. Früher hatte er mit dem Weblog „Spiegelfechter“ bereits gegen diverse Gesetze verstoßen und tauchte in der Vergangenheit bereits mit mehreren Angeboten auf der deutschen Sperrliste auf. Damals konnte er sich nur durch die Flucht nach Kuba einer langjährigen Haftstrafe entziehen. Solche Bewerber hatten keine Chance, eine Betriebserlaubnis zu bekommen. Das wusste Robert nur zu gut. Früher hatte Robert selbst einmal das Weblog „Spiegelfechter“ gelesen – aber das war auch, bevor die Internetkriminalität zu einem staatsgefährdenden Problem wurde. Robert wusste damals nicht, was er tat – er war ja noch jung und unerfahren. Über die Gefahr solcher Seiten hatte er erst später aus Medien wie dem SPIEGEL erfahren. Antrag abgelehnt! Robert war müde, er hatte immer wieder diese Träume, die ihn verfolgten. Er wusste nicht weshalb.

Jens Berger


Donnerstag, 19. März 2009

Homo homini Lupus

http://0815-info.de/News-file-article-sid-10486.html


Homo homini Lupus

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Amok: 1994 - 2001 - 2009
Geschrieben von Kuddel am Freitag, 13. März 2009

aktuelle News Der folgende Text stammt aus dem Jahr 2001 und wurde direkt nach Erfurt umgeschrieben, weil er 1994 nach dem Rütli-Schwur als Gedicht schon entstand



Foto: youdontsay.org
E(h)rfur(ch)t

Schon lange steht fest:
es gelten die gebrochenen GeSchwüre
Eskalierende Gewalt
in den Schulen der Nation

von Hartmut Barth-Engelbart*

Auf Wahnsinn folgt Wahnsinn, folgt Wahnsinn. Weder das Waffengesetz, die Videospiele, noch die Schützenvereine sind der Kern des Problems. Diese Problemchen werden eher noch von OberbürgermeisterInnen und Landräten gehätschelt und als eventuelles Hilfspolizeireservoir gepflegt und stärker subventioniert als Jugendzentren und Schulsozialarbeit.

Konsequenz:
Bundesgrenzschutz auf den Campus, Polizeiwachen auf den Schulhof, sponsored by Mc Donalds und Pepsi Cola oder Binding Lager oder Karamalz. Kaum ein Mensch – außer dem sich zurückziehenden Ruppert von Plottnitz vielleicht – fragt jetzt mal öffentlich nach den Ursachen oder weist darauf hin: Wie man in den Wald schießt, so schießts auch wieder raus.

Jetzt geht (wie damals nach Freising) ein Ruck durch die Nation: SchülerInnen müssen wegen der Nestwärme enger zusammenrücken, wo 33 reinpassen, passen auch 35 rein, im Hauruckverfahren werden Schwachstellen in der Auslastung der Lehrkörper und so ungenutzte Zeitguthaben gesucht und gefunden, Einsparpotenziale durch Stellenrücken, Optimierung der Betreuungsdichte bei SozialpädagogInnen und SchulpsychologInnen (Beratung per Internet), Einrücken von Zivilschutzreserven auf die Schulhöfe, und es werden jede Menge Trostpflästerchen und Notverbände herausgerückt, Haushaltstitel werden kurzfristig verrückt und nach Beendigung der Trauerveranstaltungen wieder zurechtgerückt. Und bereits vollzogene oder bevorstehend beschlossene Kürzungen im Bereich der Jugendhilfe, der Jugendsozialarbeit etc. werden schnell übertüncht, getarnt aus der Schusslinie genommen und ins rechte Licht gerückt.

Jahrelang wurde offiziell gegen die »Kuschelpädagogik« gehetzt, die Gegner des Zensurenterrors verteufelt, sozialdarwinistische Ausleseverfahren heilig gesprochen, das Zentralabitur möglichst schon in die vierte Grundschul-Klasse vorverlegt, das Grenzensetzen gepredigt, wo durch kultus-bürokratische Will-Kür und -Plichten, durch Arbeitszeitverlängerung und -verdichtung, durch Stellenkürzung und Paukverplanung längst die dadurch immer enger gezogenen Grenzen LehrerInnen und SchülerInnen strangulieren. Sich für SchülerInnen Zeit nehmen, heißt heute »Zeit verlieren«!! Und wer sich dafür die Zeit stiehlt, der begeht ein Dienstvergehen. Diebstahl auf Kosten der Kollegen und des Staates. Wie sollen SchülerInnen zu Menschen Vertrauen gewinnen, die keine Zeit für sie haben, die nicht zuhören können, die ihnen nichts zu sagen haben, weil sie ihre Probleme gar nicht kennen, die sie sanktionieren, bestrafen, bloßstellen, erniedrigen, von oben herab be- und verurteilen, benoten und noch nicht einmal danach fragen, nicht wissen, was das bewirkt (und das schwerpunktmäßig in den Schulstufen, wo die Pubertätsprobleme nach allen Seiten – und nach innen – ausschlagen), Menschen, die die Folgen ihres Tuns verdrängen oder um sie wissen und es trotzdem tun oder gerade deswegen: Das ist Zucht mit extrem Abhängigen.

Und das ist die Regel, die ganz harmlos wirkende und unauffällige normale Regel. Die mit ihrer vernichtenden Wirkung (noch immer) in jedem Schulwinkel haust. Dieses Regel-Räderwerk wird tradiert, seit Jahrhunderten, nur die alltäglichen Blutspuren sind nicht mehr so alltäglich. Prügelpädagogik mit neuer Fassade: die nichtprügelnde Prügelpädagogik wird nicht gelehrt, sie wird eindressiert, nicht auf den Paukböden schlagender Verbindungen (auch die sind wieder im Kommen!), sondern in den Dressurpaukveranstaltungen der Lehrerausbildung (besser: Pädagogikaustreibung, schulpolitischer Exorzismus) in überfüllten Groß-Seminaren und Vorlesungen – ausgelastet bis zum letzten Notstehplatz, betriebswirtschaftlich durchkalkuliert, hier wird diese nichtprügelnde Prügelpädagogik am LehrerCorps durchexekutiert.

Gibt es eigentlich noch Professoren, die ihre Studenten kennen können? Wann kommt der Anschlag auf den AfE-(uni)turm, das Massaker im IG-Farbenhaus, das Blutbad am Niederurseler Hang? Ich kenne eine Reihe von Studenten verschiedenster Fachrichtungen und verschiedenster Fastabschlüsse, die schon subjektiv vor der Wahl standen: Springen oder Sprengen? Wer kann sie aufhalten? Kann sein, dass die Entscheidung bereits in der kostengünstigeren Großgruppe in der Kindertagesstätte gefallen ist, in der 32er Grundschulklasse (eine 23er ist auch schon viel zu groß) oder an der Türe des Lehrerzimmers, die aufging und eine entnervte Stimme nur etwas gereizt krächzte: »Jetzt habe ich aber gar keine Zeit«. Klar, war ja große Pause und die Arbeitsblätter waren noch nicht kopiert, nicht genügend Bücher für die ganze Klasse und die Koordination noch nicht fertig und zwei Eltern am Telefon und der Kaffee schon kalt. So werden Opfer Täter und Täter Opfer. Und dann Herr Schröder, sind es »faule Säcke«. Wobei der Stoiber das Gleiche denkt, es aber vor der Wahl nicht sagt. Und die Frau Hohlmeier ist eine Wolff im Schafspelz und hat zur Zeit etwas Kreide gefressen aus Solidarität mit dem Lehrkörper. Achtung vor Menschenleben? Schießen unsere Schnellen-Eingreif-Trupps etwa aus Wasserpistolen, werfen unsere Tornados etwa nur Kalorienbomben ab und sind die Raketen an den Tragflächen nur Stukatour am
Märchenhimmel? Hat ein deutscher Leopard heute keine Reißzähne mehr wie vor 60 Jahren der deutsche Tiger? Das alles ist Reality-TV und kein Video-Spiel. Und diese »Mission« politisch abzustellen wäre als aller erster Schritt durchaus nicht »impossible«. Wer diese Real-Gewalt-Videos abstellt, der rettet zigfach mehr als 17 Menschenleben. Und gibt den Youngsters eine andere Orientierung.

Auf Wahnsinn folgt Wahnsinn folgt Wahnsinn: Wie man in den Wald schießt, so schießts auch wieder raus.

Mit leicht getanen Federstrichen ihrer Büttel entscheiden die Kultusbürokraten und Finanzminister, die Kaputtsparer von CDUFDPSPDGRÜNENPDS ...; die Nichtabnehmer der Produkte aus der Ausbildungs-Zuliefer-Industrie, über Biographien, über das Leben (und den Tod, auf Raten mit Drogen oder per Selbstmord, auch auf getunten Rädern) zigtausender SchülerInnen, über Elternschicksale und auch über die Schicksale vieler Täter-Opfer, vieler Lehrer/innen, die es gelernt haben, nicht gegen inhumane Arbeitsbedingungen zu streiken, sondern eher als Vollzugsbeamte nach unten zu treten.


Das folgende Gedicht entstand 1994. Der Autor weiß, wovon er spricht. Er ist selbst Lehrer.

Schulkampf

Der Aufschrei der Leistungsbüttel
hallt durch den Blätterwald
kreischt aus der Röhre
flimmert exotisch
über den Bildschirm

Die Welt geht unter!
5 US-Soldaten und drei Deutsche
sind in Afghanistan gefallen
nach Tausenden von Bomben
fast ein Wunder
nur fünf und drei

Der Aufschrei schrillt
nach Weltbilduntergang
nicht vorne
wo im Irgendwo Exotistan
Nein. Das Schreien gilt
der Nahkampf tobt
ganz nah und alltags
gellend an
der Heimatfront

Aus- und nachgerüstet
mit den schwersten Waffen
Notenbüchern Zeugnisformularen
und Bußgeldtorturnistern

und neuen Wolfsgesetzen
ziehen sie wochentäglich an die Front
Schulkampf

Schulhöfe sind
Selektionsrampen geblieben
die deutsche Industrie Norm
DinA links, zwo, drei, vier
hat sich schon vor der
Schädelformvermessung
als viel zu starr erwiesen
um den Arbeitssklavenmarkt
den weißen, grauen, schwarzen
bedarfsgerecht und passgenau zu füllen

der Kinderkopf als Bildungsziel
betrommelfeuert und behämmert
gedrückt gepresst gerichtet
be- und eingetrichtert
bis er passt

Anforderungsprofile kreischen sich
cd-gesteuert in der Schuldrehbank
durch Fleisch und Blut
durch Bauch und Herz und Hirn
durch Restrückgrad
und Knochenmark

wo gehobelt wird
da fallen Spähne

ohne Handwerk
keine Industrie
das Waffen-High-Tech
braucht das Waffenhandwerk
das Schlachtfeld Schule
braucht den Unteroffizier
den Korpsgeist
und den Standesdünkel
den Fundamentalismus
aus der Mittelschicht

und das Niveau
schulmeisterlicher Hirne
– im Durchschnitt
einmeterneunundsiebzig
plus Ortszulage
über Meeresspiegel-
bestimmt am Horizont
das Ende der
zivilgebombten Erdenscheibe

Der Mittelpunkt des Universums
befindet sich im Zentrum
eines Pausen-Kaffeebechers
bisweilen auch im
Strudel einer Tasse
lauwarmen Hagebuttentees

Das Wohl des Kindes
auf den Lippen
stürzen sich Bataillone
von Durchgreifkommandos
ins Getümmel auf dem
Schulschlachtfeld
nahkampfgeschulte
Einzelkämpfer
zwischen den
Fronten im Niemandsland

aus harmlosen Instrumenten
werden in ihren Händen
mörderische Waffen
sie töten mit Blockflöten
selbst die Gitarre
wird zur Knarre
nur wer sich wehrt und sträubt
wer den Befriedungseinsatz stört
wird angeschossen
wahlweise aus- und
eingeschlossen und betäubt

so gibt es auf dem Schulschlachthof
kein Blutbad mehr und keine Toten
der Schlagstock ist verboten
keine Striemen auf den Pfoten
keine Kopfabnoten

Strafexpeditionen Standgerichte
erwiesen sich als ungeeignet
den Widerstand im Niemandsland
zu brechen

Das Lehrerfreicorps hat gelernt
mit ethisch einwandfreien Federstrichen
den Gegner zu entwaffnen
Entwicklungsstandsberichte
ersetzen Standgerichte
Entwicklungshilfsaktionen
statt Strafexpeditionen

Beratung gibt es statt Verhöre
statt Spionage Hausbesuche
Arrest wird zum sozialen Training
und Straf- und Zwangsarbeit
zum Förderkurs

Der Blockwart
wurde schon vor Jahren
zum Kontaktbereichsbeamten
umbenannt gestrichen und
jetzt wieder eingeführt
als Schützenvereins-Ehrenamt
damit die Menschen sichrer leben

Und sage keiner
dass sich an der Front
nichts täte

Alles drängelt zu den Waffen
alle sind sie angetreten
»Rührt euch!« ein Ruck
geht durch die Reihen
und alle haben sich gerührt

Bisweilen kann man
spüren, sehen, hören
wohin uns dieses Rühren
führt

1994
(2001 neu bearbeitet)

Nachbemerkung:

Nach den wieder geltenden Wolfsgesetzen gibt es jetzt zwar keine Ausschlussprämien, auch keine feststehenden Auslesequoten, aber endlich wieder die Kopfabnoten, ohne die der Lehrkörper mit leeren zur Strafe erhobenen Händen dasteht wie bei einer Kapitulation mit weißem Fähnchen, das sich noch fix in den Wind halten lässt.

Doch selbst die erhöhten Eintrittsschwellen gegen erfahrungsgemäß renitenteres und gewaltbereiteres Unterschichtenpotenzial kann vor Ausfällen abstiegsgefährdeter Mittel- und Oberschichtsprösslinge nicht schützen. Höchstens überstundenfreie, ungestresste, ausgeglichene, kinderfreundliche, nichtrassistische, nicht nachtragende, untraumatisierte, nicht überqualifizierte und so nicht frustrierte, angemessen hoch bezahlte, menschen- und grundrechtsversierte, sozialpädagogisch durchtrainierte, polizeipsychologisch trainierte, mediationserfahrene, fröhlich gutgelaunte Scharfschützen in transparenten Sandsacknestern auf den Dächern könnten etwas nützen. Aber so etwas können wir uns unmöglich leisten. Bei der aktuellen Haushalts-, Wirtschaftswachstums-, Dow-Jones-, DAX- und Nemax-Lage .... Beim besten Willen nicht, das werden Sie doch verstehen, bei Ihrer Bildung, Ihrem Abschluss ...
Wenn nicht, dann müssen Sie ganz einfach daran glauben.

Geschrieben und umgeschrieben nach Erfurt
aus Ehrfurcht und Trauer um die vieltausend mal 17 Opfer
und aus unendlich mehr Furcht
vor dieser VerGEWALTigungsmaschine



Die Trauerfeiern sind vorbei
pro Jahr ein Sonntag für die Toten
wir ziehen weiter in den Krieg
und geben weiter Noten

© HaBE
* Hartmut Barth-Engelbart ist seit über 40 Jahren in sozialen Brennpunkten Jugend- & Kinderarbeiter, Familienhelfer, Grundschullehrer und Chorleiter, Drogenberater und ehrenamtlicher Bewährungshelfer. Außerdem BR-Vorsitzender und Gewerkschafter, Musiker, Schriftsteller und Kabarettist

Mittwoch, 18. März 2009

Super ! --- Jugendschutz

http://www.radio-utopie.de/2009/03/18/Jugendschutz


Jugendschutz

Autor: bella, Wednesday, 18. March 2009, 13:16

Montag, 16. März 2009

Hallo Microsoft

http://www.fixmbr.de/hallo-microsoft/


Ich war immer ein Fan Eurer Software. Schon als ich das erste Mal Microsoft Office 4.3 unter Windows 3.11 for Workgroups genutzt habe, war ich begeistert. Gut, es war auch ein großer Fortschritt gegenüber GEOS und dem C64. Ich habe Euch immer verteidigt - das ging schon fast in Richtung Selbstverleugnung, wenn man unseren Einsatz hier auf F!XMBR und anderen Publikationen pro Open Source, für die Freiheit allgemein, sieht. Immer und immer wieder geriet ich in die Defensive - wie sollte es auch anders sein, ein Twitter-Rant hier, eine Empfehlung pro Identi.ca dort, dem Open-Source-Gedanken wegen, geschrieben mit dem Windows Live Writer auf einem Windows-System. Ich hatte und habe hier ausschließlich Original-Software von Euch im Schrank stehen. Ihr hattet mir mir auf verschiedenen Publikationen immer einen Fürsprecher - seit diesem Wochenende frage ich mich, ob Euch Eure Kunden wirklich so egal sind, wie es den Anschein hat.

Wie bekannt, hatte ich die Festplatte meines Notebooks zerschossen. Auf dem Rechner war das neue Vista vorinstalliert, es lag keine DVD bei - auf einer so genannten Recovery-Partition schlummern 8 GB Daten und warten auf den Besitzer, wenn der sie denn mal braucht. Tja, bei mir war es dann so weit, nur konnte ich auf die Daten nicht zugreifen. Ich habe von der Partition gebootet und als das Recovery-Programm startete, wurde es mit einem Fehler 00000001×1 beendet und der Rechner startete neu - und versuchte von Partition c:\ zu starten. Das ging natürlich schief, sonst hätte ich die Sicherung nicht gebraucht. Da habe ich also ein noch fast neues Notebook stehen, inkl, des zugehörigen Betriebssystems und beim ersten Crash kann ich das auch teuer bezahlte Betriebssystem nicht mehr nutzen. Das ist eine Unverschämtheit und Dreistigkeit gegenüber Euren zahlenden und treuen Kunden.

Aber gut, ich hatte sowieso vor, den holy crap Vista von der Platte zu schmeißen um wieder auf XP umzusteigen. Dazu hatte mir ein sehr guter Freund eine - selbstverständlich - legale Windows-XP-Lizenz geschenkt. Gesagt, getan, die Windows-CD eingelegt, das Setup-Programm gestartet und als es daran ging, den Key einzugeben staunte ich nicht schlecht, als dieser als falsch erkannt wurde. Es war wohl so, dass die Lizenz eine OEM-Lizenz ist, einem bestimmten PC zugehörig. Tja, und da stand ich hier nun - mit einem Notebook ohne Betriebssystem und fühlte mich als langjähriger Kunde, auf deutsch gesagt, verarscht. Da hat man hier zwei legale Windows-Lizenzen rumliegen und kann sie beide nicht nutzen. Selten habe ich mich über eine Software so geärgert. Da stand hier ein wunderbares Notebook, mein kleines Schätzchen, und Microsoft zwingt mich, obwohl zwei legale Lizenzen vorhanden und nicht auf anderen Systemen im Einsatz, über andere Lösungen nachzudenken wie Ubuntu, OpenSuse oder die Piratenbucht. Das hätte ich nie zu träumen gewagt.

In all den Jahren habe ich immer wieder Original-Software von Euch gekauft und dementsprechend teuer bezahlt. Zuletzt war es mit dem Notebook und dem Vista-Reinfall zusammen das neue Microsoft Office 2007. Ich habe Eure Software genutzt, ich habe sie gerne genutzt - 15 Jahre digitales Leben spiegeln sich bei mir auch in meinen gespeicherten Microsoft-Dateien wieder. Die Zwangsaktivierung von Windows XP war schon grenzwertig und fragwürdig gegenüber Euren Kunden - die Szene hat es nicht wirklich abgehalten, die Software weiter über die bekannten Kanäle zu verteilen. Wenn ich jetzt aber sehe, wie viele unzählige Lizenzen es für ein und dieselbe Software gibt, für Vista, dann kann ich mir nur noch an den Kopf packen. Ihr habt es versaut, nicht nur die Software an sich, Vista ist das Windows Me des neuen Jahrtausend - Ihr habt es Euch mit Euren Kunden verscherzt. Aber so richtig.

Liebes Microsoft, liebe Microsoft-Mitarbeiter, so geht man nicht mit Kunden um. Und seien wir doch mal ehrlich: Ein großer Teil Eures Erfolges beruht darauf, dass man immer und überall Eure Software kopieren konnte. Und ja, ich gebe zu, bevor ich damals Microsoft Office 97 im Original gekauft habe, habe ich es erst einmal ein halbes Jahr lang getestet. Privat wurde Eure Software kopiert und in den Unternehmen wurde sie dann zwangsläufig eingesetzt - so lief das Spiel, so wurde Bill Gates zum reichsten Mann der Welt, ihr zu einem der wertvollsten und einflussreichsten Unternehmen auf diesem Planeten. Bill Gates und Euch sei es gegönnt. Ihr solltet Euch in Zukunft nur gut überlegen, wie Ihr mit Euren Kunden umgehen werdet. Eure Fans sind nach dem kolossalen Vista-Reinfall jetzt schon wieder heiß auf Windows 7 - versaut es nicht schon wieder. Es kann nicht sein, dass Ihr aus welchen Gründen auch immer Eure zahlenden Kunden mit Anlauf in den Bobbes tritt. Selbst die Musikbranche lernt gerade, wenn auch sehr langsam, dass man den Weg mit den Kunden nur gemeinsam gehen kann. Es sei Euch einmal ins Stammbuch geschrieben:

Das wichtigste Kapital Eures Unternehmens sind die Kunden. Es ist nicht Eure Software.


Montag, 5. Januar 2009

Das hässliche Gesicht Israels

http://www.spiegelfechter.com/wordpress/459/das-hassliche-gesicht-israels

05. Januar 2009 von Spiegelfechter - Drucken

Alle Jahre wieder beweist der Nahe Osten der Welt, dass Anspruch und Wirklichkeit der westlichen Staatengemeinschaft immer dann besonders weit auseinanderklaffen, wenn Israel den Staatsterrorismus als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln wählt. Vor zwei Jahren führte die israelische Armee einen Angriffskrieg im Südlibanon gegen die Hisbollah, tötete rund 1.200 Zivilisten, zerstörte die zivile Infrastruktur und machte sich mehrerer Kriegsverbrechen schuldig – unter anderem wurden Phosphorbomben eingesetzt, deren Einsatz in bewohnten Gebieten nach dem Genfer Abkommen verboten ist. Seit letzter Woche führt die israelische Armee einen Angriffskrieg gegen die Hamas im Gaza-Streifen.

Über 500 Todesopfer sind auf palästinensischer Seite bereits zu beklagen, wovon rund ein Drittel Zivilisten sind. Auch diesmal zerstört die israelische Armee die zivile Infrastruktur, auch diesmal verübt sie Kriegsverbrechen und auch diesmal setzt sie „Phosphorbomben“ ein – in einem Gebiet, das dicht besiedelt ist. 2006 hat die israelische Armee eine vernichtende Niederlage einstecken müssen und die Hisbollah samt ihres charismatischen Anführers Nasrallah in der arabischen Welt zu einem Mythos gemacht. Die Kriegsverbrechen wurden weder angeklagt noch gesühnt. Die Wahrscheinlichkeit, dass die israelische Armee auch dieses Mal eine Niederlage einstecken muss, ist groß. Das unermessliche Leid der Zivilbevölkerung im dicht besiedelten Gaza-Streifen ist für Israel in diesem Konflikt nicht nur ein Kollateralschaden – es ist vielmehr die grausame Bestrafung für die Palästinenser, die die Hamas gewählt haben. Die Gefahr, dass die Anzahl ziviler Opfer massiv steigen wird, ist groß. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Verantwortlichen seitens der Israelis vor ein Kriegsverbrechertribunal gestellt werden, ist nicht vorhanden. Israel und seine Kriegsverbrechen werden vom Westen gedeckt, wobei sich besonders die USA und Deutschland durch ihre Blankoscheckpolitik unrühmlich auszeichnen.

Die Eskalationsstrategie ging auf

Die Strategie Israels und der USA, die „gemäßigte“ Fatah auch im Gaza-Streifen als palästinensischen Verhandlungspartner in Stellung zu bringen, scheiterte im Juni 2007 kläglich. Nach der de-facto Zweitteilung der palästinensischen Gebiete, in das Westjordanland unter Fatah-Führung, und den von der Hamas kontrollierten Gaza-Streifen, verfolgte die israelische Regierung eine Politik von Zuckerbrot und Peitsche. Die Fatah kam erstmals in den dosierten Genuss von Zuckerbrot, nachdem in den Jahren zuvor sowohl die Fatah als auch ihr politischer Führer Mahmud Abbas von Israel gedemütigt wurden – ein Umstand, der vor allem der Hamas Wähler einbrachte, da es offensichtlich schien, dass man auch mit einer gemäßigten Haltung kein Entgegenkommen Israels erreichen kann. Die Hamas, und mit ihr der Gaza-Streifen, bekamen seit der Regierungsübernahme die israelische Peitsche zu spüren. Der Gaza-Streifen, ein zehn Kilometer breiter und 40 Kilometer langer Sandstreifen mit 1,5 Mio. Einwohnern, und ohne nennenswerte Wirtschaftsleistung, wurde von Israel abgeriegelt. Seitdem können die Palästinenser nicht mehr zu ihren Arbeitsplätzen in Israel pendeln und es findet über Land kein Güterverkehr mehr zwischen dem Gaza-Streifen und seinen wichtigsten Handelspartnern, Israel und dem Westjordanland statt.

Die Blockade des Gaza-Streifens ist ein Verbrechen. Israel unterliegt der gleichen Fehleinschätzung, die westlichen Demokratien immer wieder unterläuft. Durch Wirtschaftsblockaden und einen Krieg gegen die Zivilbevölkerung wird diese nicht in die Hände gemäßigter, westlich orientierter Kräfte getrieben und sie begehrt nicht gegen ihre im Westen unbeliebten Regierungen auf. Das Gegenteil ist der Fall – mit der Blockade hat Israel nicht nur das Leid der Palästinenser verstärkt, sondern auch die Machtbasis der Hamas. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Situation außer Kontrolle gerät und die Hamas wieder mit Gewalt gegen Israel vorgeht.

Wer trägt die Kriegsschuld?

Die israelische Propagandamaschine und die westlichen Medien sind sich in der Kriegsschuldfrage weitestgehend einig. Die Hamas hat den Waffenstillstand gebrochen und Israel hatte keine Alternative, als die „terroristische Infrastruktur“ auszuschalten – dass es in einem dicht besiedelten Kriegsgebiet trotz „Präzisionsbomben“ zu Kollateralschäden kommt, sei unvermeidlich. Der Medienfokus richtete sich auf die 8.500 Raketen, die in den letzten acht Jahren vom Gaza-Streifen aus in das israelische Kernland abgefeuert wurden und dabei 20 Menschenleben auslöschten. Selbstverständlich wurde dabei verschwiegen, dass Israel im Gaza-Streifen seit dem Abzug der jüdischen Siedler 1.700 Palästinenser bei militärischen Angriffen getötet hat.

Es scheint auch in den Medien Konsens zu sein, dass die Hamas den Waffenstillstand gebrochen hätte. Im November wurden sechs Hamas-Mitglieder bei einem Überfall des israelischen Militärs im Gaza-Streifen getötet. Als Antwort darauf feuerte die Hamas eine Welle Kassam-Raketen über die Grenze. Eine Woche später wurden weitere sechs Palästinenser von israelischen Kommandoeinheiten liquidiert. Im Jahr vor der „Waffenruhe“ töteten israelische Militärs 68 Kinder im Gaza-Streifen und ein weiteres Dutzend im Westjordanland. Im Februar forderte eine israelische Rakete das Leben von vier Jungen im Alter von 8 bis 14 Jahren, die auf den Strassen von Jabalia Fußball spielten. Im April starben Meyasar Abu-Me´tiq und ihre vier Kinder im Alter von ein bis fünf Jahren – sie wurden während des Frühstücks von einer israelischen Rakete getroffen. Auch während der „Waffenruhe“ wurden in Gaza 22 Menschen von israelischen Militärs getötet, darunter zwei Kinder und eine Frau.

Bombardieren israelische Piloten gerne unschuldige Kinder und Frauen?

Israel ist ein Opfer des palästinensischen Terrorismus? In den letzten drei Jahren starben rund 60 Israelis bei Anschlägen palästinensischer Terroristen – im gleichen Zeitraum tötete Israel 1.300 Palästinenser, viele davon Zivilisten. Jeder Tote ist ein Toter zu viel und es mag fraglich erscheinen, ob eine solche Aufrechnung der Opfer sinnvoll ist – fest steht jedoch, dass Terrorismus kein Alleinstellungsmerkmal der Palästinenser ist und der israelische Staatsterrorismus eine weitaus höhere Anzahl an Opfern zu verbuchen hat.

Die „Strafaktion“ für den Gaza-Streifen forderte bis jetzt bereits über 500 Todesopfer. Wenn Israel nun in den Gaza-Streifen einmarschiert und Gaza-Stadt einkesselt, wird die Zahl der Opfer weiter steigen. Die Opfer hinterlassen Väter, Mütter, Brüder, Schwestern und Kinder. Mit jedem Opfer züchtet Israel so zukünftige Feinde. Der Frieden rückt mit jedem Opfer weiter in die Ferne. Ist es das, was Israel will? Ist Israel einfach nur dumm oder sieht der Staat seine einzige Chance, sich in einem feindlichen Umfeld zu behaupten, darin, den Konflikt stetig am Köcheln zu halten?

Streuwirkung

Israel spielt mit dem Feuer. Schon im Zweiten Libanonkrieg 2006 war es für die gemäßigten arabischen Staaten schwer, sich neutral zu verhalten, ohne der eigenen Bevölkerung zu sehr vor den Kopf zu stoßen. Israels Kriege werden von der überwältigenden Mehrheit der Araber als Verbrechen gesehen. Die prowestlichen Regierungen Ägyptens, Saudi-Arabiens und anderer Staaten haben ohnehin bereits ihre Mühe und Not, die Fundamentalisten im eigenen Lande unter Kontrolle zu halten. Israel gießt mit seinen Verbrechen zusätzliches Öl ins Feuer. Eine Destabilisierung des gesamten Nahen Ostens kann aber kaum im Sinne Israels sein. Israel wirkt wie ein pubertärer Kraftprotz, der versucht, sich durch immer schnellere Bewegungen aus dem Treibsand zu befreien und dadurch immer tiefer in ihm versinkt.

Im Westen nichts Neues

Wäre Israel nicht Israel, sondern ein normaler Staat, würden Sanktionen der so genannten Weltgemeinschaft auf Israel niederprasseln und die verantwortlichen Politiker und Offiziere würde ein Tribunal in Den Haag erwarten. Israel ist aber kein normaler Staat – die USA blockieren jede Initiative gegen Israel im Weltsicherheitsrat und in Deutschland ist die bedingungslose Solidarität mit Israel Staatsräson. Da Israel vom Westen somit nichts zu befürchten hat, ist es schwer, den Staat zum Einlenken zu bringen. In Tel-Aviv weiß man um den Einfluss seiner Schutzmächte. Internationale Gremien mit Beteiligung der USA oder der EU, in der Deutschland jede Kritik an Israel blockieren würde, erweisen sich daher als zahnlos. Israel tanzt der Weltöffentlichkeit so lange auf der Nase herum, bis es von einer seiner Schutzmächte zur Ordnung gerufen werden wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies passieren wird, tendiert jedoch gegen Null. Israel wird wohl oder übel so lange an der Eskalationsschraube drehen, bis der Nahe Osten - und mit ihm Israel selbst - in Flammen steht. Die Hoffnung, dass die palästinensische Seite auf die Situation deeskalierend einwirkt, ist ebenfalls nicht gegeben - schon immer haben die Palästinenser sich durch Korruption oder Fundamentalismus selbst ins Abseits manövriert. Eine Lösung des bereits über sechzig Jahre andauernden Konfliktes scheint somit weiterhin außer Sichtweite.

Jens Berger

Quellen und Hintergrund:


Uri Avnery - “Geschmolzenes Blei”: ein Wahlkampfkrieg
The Economist - Gaza: the rights and wrongs
Chris McGreal - Why Israel went to war in Gaza
Tony Karon - Understanding Gaza
Gideon Levy - The neighborhood bully strikes again



Israel - blind und taub...

http://www.0815-info.de/News-file-article-sid-10445.html

Leben mit geborgter Zeit auf gestohlenem Land
Geschrieben von Hergen am Montag, 05. Januar 2009

Kommentar Das Gespräch mit Israelis kann einen durchaus verwirren. Sogar jetzt, wo die israelische Luftwaffe am hellichten Tag Hunderte von Zivilisten - Alte, Frauen und Kinder - ermordet, bringt es das israelische Volk fertig sich selbst glauben zu machen, sie seien die eigentlichen Opfer in dieser grausamen Geschichte.


von Gilad Atzmon*

Foto: 0815-Info

Jene, die die Israelis gut kennen, sehen, daß die Menschen in Hinblick auf die Ursachen des Konflikts, der ihr Leben bestimmt, vollkommen ahnungslos sind. Ziemlich oft bringen Israelis es fertig, mit recht bizarren Argumenten aufzuwarten, die im Rahmen des Diskurses in Israel vielleicht Sinn machen, aber außerhalb der jüdischen Sichtweise vollkommen sinnlos sind. Solche Äußerungen klingen zum Beispiel so: „Warum bestehen diese Palästinenser darauf, auf unserem Land (Israel) zu leben? Warum gehen sie nicht nach Ägypten, Syrien, den Libanon oder in irgendein anderes arabisches Land, um dort zu leben?“ Eine andere Perle hebräischer Weisheit lautet: „Was haben diese Palästinenser nur? Wir gaben ihnen Wasser, Strom, Schulen und Ausbildung, und alles was sie tun, ist zu versuchen, uns ins Meer zu treiben.“

Noch erstaunlicher ist, daß sogar die Israelis der sogenannten ‚Linken‘ und sogar der gebildeten ‚Linken‘ nicht verstehen, wer die Palästinenser sind, woher sie kommen und wofür sie stehen. Sie begreifen nicht, daß Palästina die Heimat der Palästinenser ist. Auf wunderbare Weise verstehen sie nicht, daß Israel auf Kosten des palästinensischen Volkes entstand, dort, wo sich die Dörfer und Städte, die Felder und Gärten der Palästinenser befanden. Die Israelis realisieren nicht, daß die Palästinenser in den Flüchtlingslagern der Region eigentlich die enteigneten und vertriebenen Menschen aus Ber Shive, Yafo, Tel Kabir, Shekh Munis, Lod, Haifa, Jerusalem und vielen anderen Orten und Städten sind. Wenn man sich fragt, wie es kommt, daß die Israelis ihre eigene Geschichte nicht kennen, so ist die Antwort recht einfach: Sie wurde ihnen nie erzählt. Die Umstände, die zum israelisch-palästinensischen Konflikt führten, liegen gut versteckt in der israelischen Kultur. Spuren der palästinensischen Zivilisation im Land vor 1948 wurden beseitigt. Nicht nur ist die Nakba, die ethnische Säuberung des Landes von den einheimischen Palästinensern im Jahr 1948 nicht Bestandteil der israelischen Version der Ereignisse, sie wird auch in keinem offiziellen oder akademischen Forum in Israel erwähnt

Verdrängte Massaker

In fast jedem israelischen Ort findet sich im Ortszentrum ein Denkmal, eine sehr bizarre, fast abstrakte Skulptur mit einem Rohr. Diese Rohr-Installation wird Davidka genannt, und ist in Wirklichkeit eine israelische Mörserkanone, die im Jahr 1948 im Einsatz war. Interessanterweise war die Davidka eine sehr ineffiziente Waffe. Ihre Geschosse flogen kaum weiter als 300 Meter und verursachten nur sehr geringen Schaden. Doch obwohl sie relativ harmlos war, machte die Davidka eine Menge Krach. Der offiziellen israelischen Geschichtsversion zufolge, rannten die Araber - gemeint sind die Palästinenser - um ihr Leben und flüchteten, sobald sie die Davidka in der Ferne hörten. In der Version der Israelis veranstalteten die Juden, also die „neuen Israelis“ ein kleines Feuerwerk und die „arabischen Feiglinge“ liefen weg wie die Idioten. In der offiziellen Geschichtsschreibung Israels findet sich keine Erwähnung der vielen organisierten Massaker, die von der noch jungen israelischen Armee und den paramilitärischen Einheiten zuvor verübt wurden. Ebenfalls keine Erwähnung finden die rassistischen Gesetze, die Palästinenser daran hindern, auf ihr Land und in ihre Häuser zurückzukehren[1].

Die Bedeutung der hier aufgeführten Dinge ist recht offenkundig. Israelis haben keine Ahnung von der Sache der Palätinenser. Aus diesem Grund können sie den Kampf der Palästinenser nur als irrationalen, mörderischen Irrsinn begreifen.

Innerhalb von Israels autistischem jüdisch zentrierten Universum ist der Israeli ein unschuldiges Opfer und der Palästinenser ist nichts weniger als ein grausamer Mörder.

Diese Situation hat ernste Folgen: Sie läßt die Israelis im Hinblick auf ihre Vergangenheit im Dunkeln und zerstört jede zukünftige Möglichkeit der Versöhnung. Da dem Israeli auch das geringste Verständnis für den Konflikt fehlt, kann er auch nicht über eine mögliche Lösung nachdenken, die jenseits von Ausrottung oder Vertreibung des ‚Feindes‘ hinausgeht. Alles was der Israeli zu wissen berechtigt ist, sind verschiedene phantastische Narrative jüdischen Leidens. Das Leiden der Palästinenser ist etwas völlig fremdes für seine Ohren. ‚Das Recht der Palästinenser auf Rückkehr in ihre Heimat‘ klingt für ihn wie eine amüsante Idee. Sogar die fortschrittlichsten „israelischen Humanisten“ sind nicht bereit, das Land mit den einheimischen Bewohnern zu teilen. Das läßt den Palästinensern nicht viele Möglichkeiten außer sich selbst gegen alle Widerstände zu befreien. Auf der israelischen Seite gibt es ganz eindeutig keinen Partner für Frieden.

In dieser Woche haben wir alle mehr über die ballistischen Fähigkeiten von Hamas gelernt. Ganz offensichtlich hat Hamas gegenüber Israel über einen langen Zeitraum weitgehend Zurückhaltung geübt. Die Organisation hat den Konflikt nicht auf den gesamten Süden Israels ausgeweitet. Mir kam der Gedanke, daß der Regen von Qassam-Raketen, der zeitweise über Sderot und Ashkelon niederging, nichts anderes war als eine Botschaft der eingekesselten Palästinenser. Zum einen war es eine Botschaft an das gestohlene Land, an die Behausungen, die Felder und die Gärten: „Wir haben Dich nicht vergessen, unser geliebtes Land. Wir sind immer noch hier und kämpfen um Dich. Früher oder später werden wir zurückkommen, und wir werden dort weitermachen, wo wir aufhören mußten.“ Aber gleichzeitig war es eine deutliche Botschaft an die Israelis: „Ihr dort in Sderot, Beer Shevva, Ashkelon, Ashdod, Tel Aviv und Haifa, ihr lebt auf gestohlenem Land, ob ihr es wahrhaben wollt oder nicht. Ihr fangt besser an, Eure Sachen zu packen, weil eure Zeit abläuft. Unsere Geduld ist zuende. Wir, das palästinensische Volk haben nichts mehr zu verlieren.“


Stellen wir uns den Tatsachen: realistisch betrachtet ist die Lage Israels ziemlich ernst. Vor zwei Jahren waren es Raketen der Hisbollah, die in Nord-Israel einschlugen. Diese Woche beseitigte Hamas jeden Zweifel, daß sie in der Lage ist, dem Süden Israels einen Cocktail ballistischer Vergeltung zu verabreichen. In beiden Fällen hatte Israel keine militärische Antwort. Zweifellos kann das Land Zivilisten töten, aber es ist nicht in der Lage, den Raketenbeschguß zu stoppen. Der israelischen Armee (euphemistisch IDF = Israeli Defense Force = Israelische Verteidigungs(-streit-)kraft genannt) fehlen die Mittel, Israel zu schützen, jedenfalls solange, bis die Überdachung Israels mit einem Betondach eine realistische Lösung ist.

Das Ende des zionistischen Traums

Aber dies ist noch lange nicht das Ende der Geschichte. Tatsächlich ist es nur der Anfang. Jeder Experte für den Nahen Osten weiß, daß Hamas innerhalb weniger Stunden die Kontrolle über die West Bank erlangen kann. Tatsächlich wird die Kontrolle der West Bank durch die Selbstverwaltung der Palästinenser und die Fatah durch die israelische Armee gewährleistet. Sollte die Hamas die West Bank übernehmen, ist Israels größtes Ballungsgebiet der Gnade der Hamas ausgeliefert. Für alle, die dies nich verstehen: dies wäre das Ende des jüdischen Staates Israel. Vielleicht geschieht dies heute noch, vielleicht in drei Monaten, vielleicht in fünf Jahren - die Frage ist nicht so sehr, ob dies geschehen wird, sondern eher wann es geschieht. Denn dann wird ganz Israel innerhalb der Reichweite der Geschütze von Hamas und von Hisbollah liegen. Die zivile Gesellschaft Israels wird zusammenbrechen, seine Wirtschaft ruiniert. Der Preis einer extravaganten Villa in Nord Tel Aviv wird sich dem einer Hütte in Kiryat Shmone oder Sderot angleichen. Zu diesem Zeitpunkt könnte eine einzige Rakete auf Tel Aviv das Ende des zionistischen Traums bedeuten.

Die Generäle der israelischen Armee und die Führer Israels wissen dies. Aus diesem Grund haben sie den Krieg gegen die Palästinenser zu einem Ausrottungsfeldzug eskaliert. Die Israelis planen nicht wirklich eine Invasion nach Gaza. Sie haben dort nichts verloren. Alles was sie wollen, ist die Nakba zuende zu bringen. Sie werfen Bomben auf die Palästinenser um sie zu vernichten. Sie wollen, daß die Palästinenser das Gebiet verlassen. Es liegt auf der Hand, daß dies nicht funktionieren wird. Die Palästinenser werden bleiben. Sie werden nicht nur bleiben - der Tag, an dem sie in ihre Heimat zurückkehren rückt näher, jetzt, wo Israel seine tödlichsten Taktiken ausschöpft.

Und genau an dieser Stelle kommt die Realitätsflucht der Israelis ins Spiel. Israel hat den Punkt passiert, von dem an es keine Rückkehr mehr gibt. Die Gewißheit seines Schicksal verfestigt sich mit jeder Bombe, die über den Palästinensern abgeworfen wird. Es gibt nichts, was Israel tun kann, um sich selbst zu retten. Es gibt keine Rückzugsstrategie. Es gibt keinen Ausweg über Verhandlungen, weil weder die Israelis noch ihre Führer die grundlegenden Parameter verstehen, die den Konflikt bestimmen. Israel fehlt es an der militärischen Macht, die Schlacht zu beenden. Es mag die Führer der palästinensischen Volksbewegung töten, wie es dies seit Jahren tut. Doch der Widerstand der Palästinenser wird größer anstatt zu schwinden. Wie es ein israelischer General des Geheimdienstes bereits während der ersten Intifada formulierte: „Um zu gewinnen müssen die Palästinenser nichts weiter tun als nur überleben.“ Sie überleben und in der Tat gewinnen sie.

Die israelische Führer verstehen all dieses. Israel hat bereits alles versucht: Einseitigen Abzug, Aushungern und jetzt Vernichtung. Es versuchte, der demographischen Gefahr zu begegnen, indem es sich auf einen vertrautes, kuscheliges jüdisches Ghetto reduzierte. Nichts funktionierte. Es ist die Ausdauer der Palästinenser in der Form der Politik von Hamas, welche die Zukunft der Region bestimmen wird.

Unbekanntes Schicksal

Alles was den Israelis bleibt, ist, sich an ihre Blindheit und Realitätsferne zu klammern um ihrem verheerenden und schwerwiegenden Schicksal auszuweichen, das sich bereits jetzt deutlich abzeichnet. Während ihres gesamten Niederganges werden die Israelis die bekannten Hymnen anstimmen, in den sie selbst die Opfer sind. Da sie vollständig in ihrer nur auf sich bezogenen, rassistischen Wahrnehmung gefangen sind, werden sie zutiefst von ihrem eigenen Leid eingenommen sein, gleichzeitig vollständig blind gegenüber dem Leid, das sie anderen zufügen. Es ist einzigartig, wie die Israelis als ein geeintes Kollektiv handeln, wenn sie Bomben auf andere werfen und es gleichzeitig fertigbringen, sich in Monaden verwundbarer Unschuld zu verwandeln, sobald sie auch nur leicht verletzt werden. Es ist dieses Mißverhältnis zwischen ihrem Selbstbild und der Weise, wie der Rest von uns sie sieht, das Israel zu einer monströsen Vernichtungsmaschine macht. Es ist diese Diskrepanz, die die Israelis davon abhält, ihre eigene Geschichte zu begreifen, und diese Diskrepanz ist es, die sie daran hindert, die wiederholten Versuche zu verstehen, ihren Staat zu zerstören. Es ist dieses Mißverhältnis,das die Israelis daran hindert, die Bedeutung der letzten Shoah zu verstehen, damit sie die nächste verhindern können. Es ist dieses Mißverhältnis, das die Israelis daran hindert, Teil der übrigen Menschheit zu sein.

Und wieder werden die Juden einem unbekannten Schicksal entgegengehen. In gewisser Weise habe ich selbst meine eigene Reise vor einer Weile begonnen.

  1. Rückkehrrecht nur für Juden - http://www.mfa.gov.il/MFA/MFAArchive/1950_1959/Law of Return 5710-195

Quelle: http://palestinethinktank.com/

gilad.co.uk*Gilad Atzmon ist 1963 in Israel geboren. Er lebt und arbeitet als Jazzmusiker und Autor in London. Seine Essays sind viel gelesen und seine zwei Romane „Guide To The Perplexed“ und „My One And Only Love“ wurden in insgesamt 24 Sprachen übersetzt.

Übersetzt vom Englischen ins Deutsche von Hergen Matussik, einem Mitglied von Tlaxcala, dem Übersetzernetzwerk für sprachliche Vielfalt (www.tlaxcala.es). Diese Übersetzung unterliegt dem Copyleft: sie kann frei verwendet werden unter der Bedingung, daß der Text nicht verändert wird und daß sowohl der Autor als auch die Quelle genannt werden.